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4. Oktober 2021 | Mitteilungen

Haftungsverschärfung durch das FISG

Im Anschluss an unseren Beitrag zum Regierungsentwurf des FISG, den wir in Ausgabe 1/2021 unseres Kundenmagazins veröffentlicht hatten, fassen wir hier die abschließend vom Gesetzgeber beschlossenen Regelungen hinsichtlich der Haftung und möglicher Konsequenzen zusammen.

Zum 01.07.2021 ist das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) in Kraft getreten.

Rechtslage bisher
Nach der bisher geltenden Regelung in § 323 Abs. 2 HGB a. F. war die Haftung des fahrlässig handelnden Abschlussprüfers, seiner Gehilfen und der bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter der Prüfungsgesellschaft begrenzt auf 1 Mio. € für eine einzelne Prüfung. Bei Aktiengesellschaften, deren Aktien zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, beschränkte sich die Haftung für fahrlässige Pflichtverletzungen auf 4 Mio. €. Der vorsätzlich agierende Abschlussprüfer haftete der Höhe nach unbeschränkt.

Diese Regelung wurde in mehrfacher Hinsicht erheblich verschärft.

Neue Haftungshöchstgrenzen
Nach der seit dem 01.07.2021 geltenden Fassung des § 323 Abs. 2 HGB haften der Abschlussprüfer, seine Gehilfen und die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter der Prüfungsgesellschaft zukünftig grundsätzlich gegenüber

  • Kapitalgesellschaften, die ein Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz 2 Nr. 1 sind („Kategorie 1“), mit einem Betrag von bis zu 16 Mio. € (§ 323 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HGB) für eine Prüfung,
  • Kapitalgesellschaften, die ein Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz 2 Nr. 2 oder 3, aber nicht nach § 316a Satz 2 Nr. 1 sind („Kategorie 2“ – Banken und Versicherungen, die nicht zu Kategorie 1 gehören), mit einem Betrag von bis zu 4 Mio. € (§ 323 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGB) und
  • allen weiteren Kapitalgesellschaften („Kategorie 3“) mit einem Betrag von bis zu 1,5 Mio. € (§ 323 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 HGB).

Verschuldensgrad
Die Haftung der Prüfer wird aber besonders noch dadurch verschärft, dass diese Haftungsbeschränkung nur bei sog. einfach fahrlässigen Pflichtverletzungen gilt.

Bei grob fahrlässigem Verhalten haftet der Abschlussprüfer nun gegenüber

  • Kapitalgesellschaften nach § 323 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HGB in unbeschränkter Höhe,
  • Kapitalgesellschaften nach § 323 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGB in Höhe von bis zu 32 Mio. € pro Prüfung und
  • allen sonstigen Kapitalgesellschaften in Höhe von bis zu 12 Mio. € pro Prüfung.

Diese verschärfte Haftung bei grober Fahrlässigkeit trifft nur den Abschlussprüfer, nicht aber die Gehilfen oder mitwirkende gesetzliche Vertreter der Prüfungsgesellschaft.

Bei vorsätzlichem Verhalten gilt wie bisher keinerlei Haftungsbeschränkung.

Grobe Fahrlässigkeit
Ein grob fahrlässiges Verhalten soll dann gegeben sein, wenn die Personen „die verkehrsübliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße außer Acht lassen und das nicht beachten, was sich im gegebenen Fall jedem aufgedrängt hätte“ (BT-Drucks. 19/26966 S. 104,105). Einfache Fahrlässigkeit soll hingegen gegeben sein, wenn die „besonderen Merkmale grober Fahrlässigkeit nicht erfüllt sind“ (Palandt, § 276 BGB Rn. 14, 80. Aufl. 2021).

So einfach diese Abgrenzung auf den ersten Blick erscheinen mag, so komplex und äußerst schwierig wird dies in der Praxis umzusetzen sein. Denn „eine Grenzziehung zwischen fahrlässigem und grob fahrlässigem Handeln ist nicht objektiv zu ziehen und eher schwimmend“ (Schramm/Kreienkamp, Deckungsrechtliche Auswirkungen der geplanten Haftungsverschärfung für Abschlussprüfer, r+s 2020, 682 f.).

Die Abgrenzungsfrage wird damit erst in einigen Jahren durch die Rechtsprechung entschieden werden. Damit wird dann auch erst die nun entstandene Rechtsunsicherheit schrittweise beseitigt.

Höhere Anspruchssummen als Folge
Eine Erhöhung der Haftungssumme zieht immer auch eine steigende Zahl an Anspruchsbehauptungen und Gerichtsverfahren nach sich. Dies war bereits nach Einführung des KonTraG zu beobachten und wird sich nun, da einerseits die Haftungssummen spürbar erhöht wurden und andererseits die Schwelle zur Haftung mit den höheren Summen gesenkt wurde, zweifellos wieder zeigen.

War etwa in einem konkreten Fall vom Kläger ein Betrag von 12 Mio. € (drei Prüfungen in drei Jahren mit jeweils 4 Mio. €) wegen behaupteter fahrlässiger Pflichtverletzung des Prüfers eingeklagt worden, steht zu erwarten, dass in einem vergleichbaren Fall in Zukunft mindestens ein Betrag in Höhe eines höheren zweistelligen Millionenbetrages eingeklagt wird (dreimal 16 Mio. € oder bei behauptet grober Fahrlässigkeit auch mehr).

Verweisungstätigkeit
Die Haftungsverschärfung durch das FISG ist nicht auf die Abschlussprüfung beschränkt.

In einer ganzen Reihe von Fällen, die außerhalb der Jahresabschlussprüfung liegen, wird vom Gesetzgeber die Regelung des § 323 HGB für entsprechend anwendbar erklärt. Beispielhaft sei hier nur auf

  • Prüfungen nach dem EEG (§§ 64 Abs. 3 Nr. 1 c, 75 EEG),
  • Gründungs- und Nachgründungsprüfung (§§ 49, 53 AktG),
  • aktienrechtliche Sonderprüfungen (§§ 144, 258 Abs. 5 Satz 1 AktG),
  • Prüfungen von Unternehmensverträgen nach (§ 293d Abs. 2 AktG),
  • Prüfungen bei Eingliederungen (§ 320 Abs. 3 AktG),
  • Prüfungen bei Verschmelzungen oder Spaltungen nach dem UmwG (§§ 9, 11 Abs. 2 UmwG),
  • prüferische Durchsichten (§ 115 Abs. 5 Satz 7 WpHG) und
  • externe Qualitätskontrollen (§ 57b Abs. 4 WPO)

verwiesen. Bei all diesen handelt es sich um Tätigkeitsbereiche, die durchaus haftungsrelevant sind. Auch in diesen Fällen erhöhen sich die Haftungssummen, wenn sich der entsprechende Mandant in die Kategorien des § 323 Abs. 2 HGB in der neuen Fassung einordnen lässt.

Zeitlicher Beginn der Geltung der neuen Regelungen
Nach der Regelung in Art. 86 Abs. 1 EG-HGB ist die seit dem 01.07.2021 geltende Fassung des § 323 HGB erst auf Abschlussprüfungen des nach dem 31.12.2021 beginnenden Geschäftsjahres anzuwenden. Dennoch kann bereits kurzfristig das Risiko aus der Neuregelung wirksam werden. Denn zum einen kann in 2022 ein Rumpfgeschäftsjahr gebildet werden, das nach dem 31.12.2021 beginnt aber vor dem 31.12.2022 endet, insbesondere bei Umstellung des Geschäftsjahres weg vom Kalenderjahr. Die erhöhte und verschärfte Haftung könnte in diesen Fällen damit bereits frühzeitig in 2022 eintreten.

Zum anderen sind die vorgenannten Fallgestaltungen zu berücksichtigen, in denen bei anderen Prüfungstätigkeiten außerhalb der Jahresabschlussprüfung auf § 323 HGB Bezug genommen wird. Zumindest nach dem Wortlaut des Gesetzes sind für diese nämlich keine Übergangsfrist vorgesehen, vielmehr besteht die Gefahr der Geltung der erhöhten Haftung bereits seit dem 01.07.2021.

Leichtfertigkeit
Der Gesetzgeber hat jedoch nicht nur diese rein zivilrechtlichen Haftungsnormen verschärft, sondern auch die strafrechtliche Sanktion der Verletzung der Berichtspflicht in § 332 HGB teilweise neu gefasst, die Auswirkungen auf die zivilrechtliche Haftung haben kann. Gemäß § 332 Abs. 3 HGB ist nunmehr bereits die leichtfertige Erteilung eines inhaltlich unrichtigen Bestätigungsvermerks zu dem Jahresabschluss, zu dem Einzelabschluss nach § 325 Abs. 2a HGB oder zu dem Konzernabschluss einer Kapitalgesellschaft, die ein Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz 2 HGB ist, strafbar. Haftungsrechtlich wird der Begriff der Leichtfertigkeit mit der groben Fahrlässigkeit gleich zu setzen sein, womit bereits eine entsprechend grob fahrlässige Pflichtverletzung strafbewehrt ist.

Der BGH hatte noch im Urteil vom 12.03.2020 (VII ZR 236/19) die alte Regelung in § 332 HGB im Hinblick auf den Anleger als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB angesehen.

Ob dies auch für die Neuregelung in § 332 Abs. 3 HGB gilt, ist – natürlich – von der Rechtsprechung noch nicht entschieden, man darf das Risiko aber nicht gering schätzen.

Risikoerhöhungen
Auch wenn man heute noch nicht absehen kann, welche Auswirkungen die neuen Haftungsregelungen im Einzelfall tatsächlich haben werden, muss man sich doch des erhöhten Risikos bewusst sein. Durch die erhöhten Haftungssummen sind mehr und höhere Inanspruchnahmen zu erwarten. Aufgrund der höheren Werte werden auf jeden Fall die Abwehr- und Vergleichskosten steigen.

Durch die mögliche Dritthaftung im PIE-Bereich ist eventuell mit § 332 Abs. 3 HGB eine völlig neue Anspruchsgrundlage entstanden.

Beide Aspekte führen dazu, dass neben der möglicherweise erforderlichen Erhöhung des Versicherungsschutzes ein separater Risikozuschlag bei Tätigkeiten mit FISG-Bezug notwendig wird. Dieser wird im Bereich der Abschlussprüfung je Prüfung und im Bereich der so genannten Verweistätigkeiten pauschal erhoben.

Kriterien für die Höhe des Zuschlags sind u. a. die Branche und die Größe des geprüften Unternehmens, die Versicherungssumme, die Anzahl der durch den Versicherungsnehmer durchgeführten Prüfungen und die weiteren relevanten Umstände, die im Einzelfall beurteilt werden müssen.

Sprechen Sie uns an
Bereits im Juli 2021 hat die VSW alle Versicherungsnehmer über die wichtigsten Auswirkungen des FISG informiert und um Kontaktaufnahme gebeten, wenn ein Versicherungsnehmer vom FISG betroffen ist. Im Anschluss prüfen wir gemeinsam mit dem Versicherungsnehmer individuell, inwieweit ggf. die Konditionen des Versicherungsvertrags angepasst werden sollten.

Es ist daher wichtig, sich zeitnah an seinen Versicherer zu wenden. Dazu verweisen wir auch auf unseren „FISG-Fragebogen“, den Sie unter der Überschrift „Formulare“ auf unserer Webseite finden (v-s-w.de/downloads/). Sprechen Sie uns an, damit wir gemeinsam Ihren Versicherungsschutz auf die neuen Herausforderungen durch das FISG ausrichten und optimieren können.