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14. April 2020 | Kundenmagazin

Haftungs- und versicherungsrechtliche Aspekte bei unklarem gemeinsamen Außenauftritt

In der täglichen Praxis werden immer wieder Umstände bekannt, die die wahren Verhältnisse gemeinschaftlicher Berufsausübung von Wirtschaftsprüfern, vereidigten Buchprüfern, Steuerberatern und Rechtsanwälten unklar erscheinen lassen oder sogar falsch darstellen. Der Beitrag widmet sich dieser Situation und einigen haftungs- und versicherungsrechtlichen Konsequenzen, die sich daraus ergeben können.

Der unklare gemeinsame Außenauftritt ist hauptsächlich unter den Begriffen Scheinsozietät oder Scheinsozius bekannt. Darunter fallen durchaus verschiedene Fallkonstellationen. So kann es z. B. vorkommen, dass überhaupt kein Gesellschaftsvertrag besteht, nach außen aber der Anschein einer Sozietät erweckt wird. Andererseits kann eine Sozietät wirklich aufgrund eines Gesellschaftsvertrages bestehen, aber es treten Berufsträger nach außen auf, die nicht Gesellschafter sind, jedoch den Anschein erwecken.

Haftung der Scheinsozien / Sozien

In beiden Fällen kann ein Rechtsschein gesetzt sein, der im Ergebnis dazu führt, dass die Scheinsozien / Sozien grundsätzlich gesamtschuldnerisch und persönlich für ein Mandat haften. Denn nur bei Vorliegen besonderer Umstände ist von einer Einzelmandatierung auszugehen; regelmäßig werden alle Scheinsozien / Sozien verpflichtet.

Kriterien für den Rechtsschein

Ein solcher Rechtsschein wird seitens der Rechtsprechung nach der Verkehrsauffassung beurteilt. Es kommt auf die Sicht und den Kenntnisstand des steuer-/rechtssuchenden Publikums, also der Mandanten, zum Zeitpunkt der Mandatserteilung an.

Maßgeblich ist hier zwar immer eine Gesamtschau der Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Hauptaugenmerke sind aber in der Regel Briefbogen, Internetauftritt, E-Mail Signatur, Telefonbucheintrag, Praxisschild, Stempel, Visitenkarten, Vollmachten, Kanzleibezeichnung, usw. – also am Ende alles, was den Außenauftritt gestaltet.

Insofern hilft es nicht, wenn der Briefbogen zwar eindeutig ist, das Mandat aber nur unter Kenntnis des nicht eindeutigen Internetauftritts erteilt wird oder umgekehrt. In der Alltagspraxis lässt sich sogar vielfach ein Abweichen der Angaben bei den verschiedenen Formen des Außenauftritts feststellen. Dies mag oft auch daran liegen, dass z. B. die Internetseite einmal erstellt, jedoch nicht regelmäßig gepflegt wird. Im Ergebnis gibt es immer wieder Rechtsprechung zu unterschiedlichen Fallgestaltungen.

Bezeichnungen des gemeinsamen Außenauftritts

So wurde bei der einheitlichen namentlichen Nennung von Berufsträgern unter der Überschrift „Anwaltsgemeinschaft“ (vgl. OLG Hamm, NZG 2011, 137) oder „Kanzleigemeinschaft“ (vgl. OLG Köln, NJW-RR 2004, 279) schon von Scheinsozietäten ausgegangen. Auch der häufig verwendete Begriff der „Bürogemeinschaft“ kann aus Sicht eines Mandanten zu einem nicht eindeutigen Ergebnis führen (zumindest umstritten; dazu auch OLG Köln, a. a. O., dort allerdings nicht entscheidungserheblich).

Vorsicht ist ebenfalls beim Einsatz von im Ausland möglicherweise weitgehend eindeutig verwendeter Begriffe wie „Associate“ oder „Of Counsel“ geboten. Solche Begriffe sind deutschen Mandanten im Zweifel nicht klar und können damit einen unbeabsichtigten Rechtsschein setzen. Hingegen steht der deutliche Hinweis „in Kooperation mit“ in der Regel dem Rechtsschein einer Sozietät entgegen (vgl. BGH, NJW 2011, 3303; dazu schon Versicherungsstelle aktuell 01/2012, 7 f.). Darunter soll nach der Verkehrsauffassung grundsätzlich nur eine wirtschaftliche Zusammenarbeit ohne gesellschaftsrechtliche Verbindungen zu verstehen sein. Allerdings kann es aufgrund der Einzelfallbetrachtung auch hier wieder Grenzfälle geben, die von der jeweiligen Darstellung nach außen abhängen (vgl. BGH, NJW-RR 2014, 611).

Sofern die Gefahren einer Scheinsozietät / eines Scheinsozius nicht aus bestimmten Gründen bewusst in Kauf genommen und gesteuert werden (wobei selbstverständlich die jeweiligen berufsrechtlichen Vorgaben einzuhalten sind), empfiehlt es sich, für Klarheit im Rechtsverkehr zu sorgen. Es bietet sich die deutliche und möglichst in allen Bereichen des Außenauftritts einheitliche Kennzeichnung der wahren Gesellschaftsverhältnisse und der einzelnen Berufsträger mit ihrem wahren Status (z. B. als Angestellter oder freier Mitarbeiter) an.

Auswirkungen auf den Versicherungsschutz

Abgesehen von der haftungsrechtlichen Seite haben die zuvor beschriebenen Konstellationen in der Regel auch verschiedene Auswirkungen auf den Versicherungsschutz.

So wird grundsätzlich in § 1 der AVB-WSR 2019 definiert, dass Berufsangehörige, die ihren Beruf nach außen hin gemeinschaftlich ausüben, Sozien sind und zwar ohne Rücksicht darauf, wie ihre vertraglichen Beziehungen untereinander (Innenverhältnis) geregelt sind. Die vertraglichen Beziehungen des Innenverhältnisses können z. B. folgende sein: Anstellungsverhältnis, freie Mitarbeit, Bürogemeinschaft, Kooperation, Gesellschaft bürgerlichen Rechts, nicht als Berufsgesellschaft anerkannte Partnerschaft. Wichtig ist vor diesem Hintergrund die ebenfalls in § 1 der AVB-WSR 2019 geregelte Zurechnung, dass in der Person eines Sozius gegebene Umstände, die den Versicherungsschutz beeinflussen, zulasten aller Sozien gehen. Weitere bedeutende versicherungsrechtliche Auswirkungen in diesem Zusammenhang ergeben sich zudem aus § 12 der AVB-WSR 2019. Nach dieser allgemein üblichen Regelung gilt der Versicherungsfall auch nur eines Sozius als Versicherungsfall aller Sozien und der Versicherer tritt für die Sozien zusammen mit einer einheitlichen Durchschnittsleistung ein.

Die zuvor aufgeführten Regelungen führen u. a. dazu, dass sich z. B. Versicherungsausschlüsse, wie die Veruntreuung oder die wissentliche Pflichtverletzung, eines Scheinsozius oder Sozius zulasten der anderen Scheinsozien/Sozien auswirken. Auch die sogenannte und in § 12 der AVB WSR 2019 definierte Durchschnittsleistung kann zu entsprechenden Lücken im Versicherungsschutz führen. Im Übrigen können sich je nach Fallgestaltung weitere versicherungsrechtliche Konsequenzen ergeben.

Letztendlich sollte sich jeder Berufsträger den Besonderheiten auf der Haftungs- und Versicherungsseite bewusst sein, bevor eine Entscheidung getroffen wird, wie die gesellschaftsrechtliche Aufstellung und insbesondere der zugehörige Außenauftritt gestaltet werden.