Versicherungssumme und Jahreshöchstleistung – VSW

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4. September 2025 | Kundenmagazin

Versicherungssumme und Jahreshöchstleistung

Die Versicherungssumme und die Jahreshöchstleistung sind elementare Themen der Berufshaftpflichtversicherung – sind sie doch im einfachsten Fall eine unabdingbare Voraussetzung der Berufsausübung der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater an sich. Aber auch für Haftungsbeschränkungen und bei der Wahl der angemessenen Höhe des Versicherungsschutzes spielen sie eine wesentliche Rolle.

Seit unserem Beitrag zu diesen Grundlagen des Versicherungsschutzes für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (Blauth, Versicherungssumme und Jahreshöchstleistung, VSW aktuell, 2/2018, 11 f.) sind einige relevante Gesetzesänderungen erfolgt – Grund genug für uns, das Thema nochmals zu beleuchten.

 

Begriff der Versicherungssumme und der Jahreshöchstleistung

Die berufsrechtlichen Regelungen legen für die gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung fest, wie hoch die Versicherungssumme und die Jahreshöchstleistung mindestens sein müssen. Das Verständnis dieser beiden Begriffe ist wesentlich, um Fragen rund um den Versicherungsschutz relativ einfach klären zu können.

Die Versicherungssumme ist der Betrag, der für den einzelnen Versicherungsfall höchstens zur Verfügung steht. Beispiel: Ein Wirtschaftsprüfer benötigt eine Mindestversicherungssumme von 1 Mio. €. Wird er wegen eines Berufsversehens bezüglich der versicherten Tätigkeit in Höhe von 750.000 € in Anspruch genommen, reicht die Versicherungssumme für diesen Versicherungsfall aus. Bei einer Inanspruchnahme von 1,5 Mio. € müsste er 500.000 € und die aus diesem Mehrbetrag resultierenden Kosten (z. B. anteiligen Kosten Rechtsanwalt bei gerichtlicher Inanspruchnahme) selbst tragen.

Bei der Jahreshöchstleistung handelt es sich um den Betrag, der in der Gesamtsumme für alle Versicherungsfälle eines Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters im Versicherungsjahr zur Verfügung steht. Beispiel: Die Mindestversicherungssumme des Steuerberaters beträgt 250.000 €, die Mindestjahreshöchstleistung 1 Mio. €. Wird der Steuerberater zum Beispiel wegen vier Versehen in der versicherten Tätigkeit in einem Versicherungsjahr in Höhe von jeweils 250.000 € in Anspruch genommen, wäre die Jahreshöchstleistung für dieses Versicherungsjahr ausgeschöpft. Den fünften und jeden weiteren Schadens­ fall in diesem Versicherungsjahr müsste er dann selbst tragen.

 

Versicherungsfall

Das verbindende Element zwischen Versicherungssumme, Jahreshöchstleistung und Versicherungsjahr ist der Versicherungsfall. Dieser ermöglicht es festzustellen, zu welchem Zeitpunkt Versicherungsschutz in welcher Höhe vorliegt (Versicherungssumme) und in welchem Jahr wie viel Versicherungsschutz besteht (Jahreshöchstleistung).

 

Der Versicherungsfall ist definiert als

  • der Verstoß des Versicherungsnehmers oder einer Person, für die er nach 278 oder § 831 BGB einzustehen hat (Verstoßprinzip),
  • der zu einem Vermögensschaden eines Dritten führt,
  • für den der Versicherungsnehmer aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts verantwortlich gemacht wird,

vgl. Teil 1 A. § 1 Ziffer I. 1. AVB­WSR 2019. Klassischerweise handelt es sich um die typischen Berufsversehen, die Gegenstand der Berufshaftpflichtversicherung sind.

Der Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers spielt bei dem in Deutschland für die Berufshaftpflichtversicherung der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater geltenden Verstoßprinzip keine Rolle. Beispiel: Der Mandant entdeckt im Rahmen einer Betriebsprüfung, dass die durch den Versicherungsnehmer erstellte Steuererklärung angeblich fehlerhaft ist. Neben der nachzuzahlenden Steuer muss der Mandant Säumniszuschläge zahlen. Relevant ist hier nicht der Zeitpunkt der Entdeckung des Versicherungsfalls (die Betriebsprüfung), sondern der Zeitpunkt des Verstoßes. Wann der Zeitpunkt des Verstoßes im Einzelfall liegt, kann hier nicht vertieft dargestellt werden. Regelmäßig ist dies bei einem aktiven Tun der Zeitpunkt, zu dem der Wirtschaftsprüfer/Steuerberater sein angeblich fehlerhaftes Arbeitsergebnis dem Mandanten als vertraglich geschuldete Leistung übergibt. In dem o. g. Fall kann dies das Datum der Übergabe der Steuererklärung sein.

 

Höhe der Versicherungssumme und Jahreshöchstleistung

Für die Höhe der mindestens erforderlichen Versicherungssumme (MVS) und Jahreshöchstleistung (JHL) gelten die folgenden gesetzlichen Vorgaben:

  MVS JHL gesetzliche Grundlage
WP, vBP 1.000.000 € mind. 4-fache MVS § 54 Abs. 4 Satz 1 und 2, § 130 WPO
WPG, BPG bis vier Gesellschafter, Partner, Geschäftsführer 1.000.000 € mind. 4-fache MVS § 54 Abs. 4 Satz 1 und 3, § 130 WPO
WPG, BPG ab fünf Gesellschafter, Partner, Geschäftsführer 1.000.000 € mind. multipliziert mit der Anzahl der Gesellschafter, Partner, Geschäftsführer § 54 Abs. 4 Satz 1 und 3, § 130 WPO
StB Einzelkanzlei 250.000 € mind. 1 Mio. € § 67 Abs. 1 StBerG, § 52 Abs. 1, Abs. 3 DVStB
BAG StB nicht haftungsbeschränkt bis vier Gesellschafter, Geschäftsführer 500.000 € mind. 4-fache MVS § 55f Abs. 4, Abs. 5 StBerG, § 52 Abs. 4 DVStB
BAG StB nicht haftungsbeschränkt ab fünf Gesellschafter, Geschäftsführer 500.000 € mind. multipliziert mit der Anzahl der Gesellschafter, Geschäftsführer § 55f Abs. 4, Abs. 5 StBerG, § 52 Abs. 4 DVStB
BAG StB haftungsbeschränkt bis vier Gesellschafter, Geschäftsführer 1.000.000 € 4-fache MVS § 55f Abs. 3, Abs. 5 StBerG, § 52 Abs. 4 DVStB
BAG StB haftungsbeschränkt ab fünf Gesellschafter, Geschäftsführer 1.000.000 € mind. multipliziert mit der Anzahl der Gesellschafter, Geschäftsführer § 55f Abs. 3, Abs. 5 StBerG, § 52 Abs. 4 DVStB
RA Einzelkanzlei

 

250.000 € mind. 4-fache MVS § 51 Abs. 4 BRAO
BAG RA nicht haftungsbeschränkt bis 4 Gesellschafter, Geschäftsführer 500.000 €  mind. 4-fache MVS § 59o Abs. 3, Abs. 4 Satz 4 BRAO
BAG RA nicht haftungsbeschränkt ab 5 Gesellschafter, Geschäftsführer 500.000 € mind. multipliziert mit der Anzahl der Gesellschafter, Geschäftsführer § 59o Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 BRAO
BAG RA haftungsbeschränkt bis 4 Gesellschafter, Geschäftsführer 1.000.000 €  mind. 4-fache MVS § 59o Abs. 2, Abs. 4 Satz 4 BRAO
BAG RA haftungsbeschränkt 4–10 Berufsträger 1.000.000 € mind. multipliziert mit der Anzahl der Gesellschafter, Geschäftsführer § 59o Abs. 2, Abs. 4 Satz 1 BRAO
BAG haftungsbeschränkt > 10 Berufsträger 2.500.000 € mind. multipliziert mit der Anzahl der Gesellschafter, Geschäftsführer § 59o Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 BRAO

 

Vertragliche Haftungsbegrenzungen

Der Anspruch des Auftraggebers aus dem zwischen ihm und dem Versicherungsnehmer bestehenden Vertragsverhältnis auf Ersatz eines fahrlässig verursachten Schadens kann vertraglich begrenzt werden. Diese Begrenzung ist ein weiterer gesetzlicher Einflussfaktor für die Wahl der Versicherungssumme.

Unabdingbare Voraussetzung ist natürlich die wirksame Einbeziehung der vertraglichen Haftungsbegrenzung in den jeweiligen Mandatsvertrag.

 

Die berufsrechtlichen Regelungen sehen zwei mögliche Begrenzungen vor:

  • Einzelfall: Haftungsbegrenzung durch im Einzelfall in Textform getroffene Vereinbarung bis zur Höhe der jeweiligen Mindestversicherungssumme (§ 54a Abs. 1 Nr. 1 WPO, § 67a Abs. 1 Nr. 1 StBerG, § 52 Abs. 1 Nr. 1 BRAO).
    Erfahrungsgemäß sind im Einzelfall getroffene Vereinbarungen schwierig rechtssicher zu formulieren. Zudem wird im Streitfall ggf. zu prüfen sein, ob die getroffene Vereinbarung auch wirklich nur in diesem Einzelfall verwendet wurde. Wenn nicht, kann die Haftungsbegrenzung im Einzelfall als formularmäßige Haftungsbegrenzung ausgelegt und nach deren Kriterien geprüft werden (dazu unten mehr). Erfüllt sie auch diese Kriterien nicht, ist die Haftungsbegrenzung unwirksam. Der Versicherungsnehmer haftet dann in unbegrenzter Höhe.
  • Vorformuliert: Haftungsbegrenzung durch vorformulierte Vertragsbedingungen auf den vierfachen Betrag der Mindestversicherungssumme, wenn insoweit Versicherungsschutz besteht (§ 54a Abs. 1 Nr. 2 WPO, § 67a Abs. 1 Nr. 2 StBerG) und im Bereich der Rechtsanwaltstätigkeit nur für Fälle leichter Fahrlässigkeit (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 BRAO). Diese Regelungen finden sich grundsätzlich in Allgemeinen Auftragsbedingungen (AAB). Es handelt sich um Untergrenzen.

Wichtig ist nach dem Wortlaut des Gesetzes also, dass in Höhe der gewählten Haftungsbegrenzung Versicherungsschutz für das jeweilige Mandat besteht. Ist das nicht der Fall, kann die vereinbarte Haftungsbegrenzung als nichtig angesehen werden. Der Versicherungsnehmer haftet dann unbegrenzt.

Im Hinblick auf das oben erläuterte sogenannte Verstoßprinzip müssen die Haftungsbegrenzung und die dazu korrespondierende Versicherungssumme zum Zeitpunkt des möglichen Versicherungsfalls, also in der Regel während der Mandatslaufzeit, vorhanden sein.

Die Versicherungssummen im Zusammenhang mit den vertraglichen Begrenzungen der Ersatzansprüche sind also:

MVS = Haftungsbegrenzung bei einzelvertraglicher Vereinbarung* Versicherungssumme bei Haftungsbegrenzung durch vorformulierte Vertragsbedingungen gesetzliche Grundlage
WP, vBP, WPG, BPG (alle) 1.000.000 € mind. 4 Mio. € § 54a Abs. 1, § 130 WPO
StB Einzelkanzlei 250.000 € mind. 1 Mio. € § 67a Abs. 1 StBerG
BAG StB nicht haftungsbeschränkt alle 500.000 € mind. 2 Mio. € § 67a Abs. 1 StBerG
BAG StB haftungsbeschränkt alle 1.000.000 € mind. 4 Mio. € § 67a Abs. 1 StBerG
RA Einzelkanzlei 250.000 € mind. 1 Mio. € § 52 Abs. 1 BRAO
BAG RA nicht haftungsbeschränkt alle 500.000 € mind. 2 Mio. € § 52 Abs. 1 BRAO
BAG RA haftungsbeschränkt bis 10 Berufsträger 1.000.000 € mind. 4 Mio. €

nur leichte Fahrlässigkeit

§ 52 Abs. 1 BRAO
BAG RA haftungsbeschränkt > 10 Berufsträger 2.500.000 € mind. 10 Mio. €

nur leichte Fahrlässigkeit

§ 52 Abs. 1 BRAO

*Aus der Mindestversicherungssumme (MVS) ergibt sich die Untergrenze der möglichen Haftungsbegrenzung bei einzelvertraglicher Vereinbarung.

 

Haftungsbeschränkt und nicht haftungsbeschränkt

Beispiele für haftungsbeschränkte Berufsausübungsgesellschaften (BAG) im Bereich der Steuerberatung und der Rechtsanwaltstätigkeit sind die PartG mbB, die GmbH, die KG oder die GmbH & Co. KG.

Beispiele für nicht haftungsbeschränkte Berufsausübungsgesellschaften im Bereich der Steuerberatung und Rechtsanwaltstätigkeit sind die GbR, die oHG und die einfache Partnerschaftsgesellschaft.

 

Angemessene Versicherungssumme

Neben den oben beschriebenen gesetzlichen Versicherungspflichten sind Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte und deren Berufs­/ Berufsausübungsgesellschaften verpflichtet, sich angemessen zu versichern. Unser letzter Beitrag zu diesem Thema aus dem Jahr 2020 hat nichts an Aktualität verloren (Seibert, VSW aktuell, Gestaltung der angemessenen Versicherungssumme, 6 ff., v-s-w.de/gestaltung-der-angemessenen-versicherungssumme.

 

Fazit

Versicherungssumme und Jahreshöchstleistung sind nicht nur elementare Bestandteile zur Bestimmung des berufsrechtlich erforderlichen Versicherungsschutzes, sondern der Ausgangspunkt für die Entscheidung über den individuellen und dem Risiko entsprechenden Versicherungsschutz. Das Verständnis der Begriffe ist eben­ so wesentlich wie das Wissen, wann der Versicherungsschutz in der richtigen Höhe vorhanden sein sollte. Das Mittel zur Bestimmung dieses Zeitpunkts ist der Versicherungsfall, also der Verstoß, der dem Versicherungsnehmer vorgeworfen wird.

Neben den Begrifflichkeiten und der Wahl des richtigen Zeitpunkts ist die Möglichkeit zur Haftungsbegrenzung von großer Bedeutung. Die Wahl der angemessenen Haftungsbegrenzung und deren wirksame Vereinbarung im Mandat zum richtigen Zeitpunkt sind dabei ebenso entscheidend wie die angemessene und rechtlich mögliche Höhe.

Wir unterstützen Sie gerne bei der Wahl der richtigen Ver­ sicherungssumme und Jahreshöchstleistung. Bitte sprechen Sie uns an.

 

Von Stefan Werner

Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)
Abteilungsleiter Betrieb

 

Zitat:

„Die Versicherungssumme ist der Betrag, der für den einzelnen Versicherungsfall höchstens zur Verfügung steht. … Bei der Jahreshöchstleistung handelt es sich um den Betrag, der in der Gesamtsumme für alle Versicherungsfälle eines Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters im Versicherungsjahr zur Verfügung steht.“