Mehrere Berater für einen Mandanten – VSW

Kundenmagazin

12. Dezember 2022 | Kundenmagazin

Zur Haftung bei der Zusammenarbeit mehrerer Berater für einen Mandanten

Das Zusammenwirken mehrerer Berater, z. B. Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte etc., verschiedener Kanzleien und Beratungsgesellschaften kommt in unterschiedlichsten Ausformungen vor. Aus dieser Zusammenarbeit kann eine Haftung resultieren, deren Ursache häufig in unzulänglicher Kommunikation liegt. Nicht selten ist in solchen Fällen streitentscheidend, welcher Handlungsbeitrag der beteiligten Berater den Schaden kausal verursacht hat.

 

Typische Fallkonstellationen

Regelmäßig beauftragt der Mandant die Berater zeitlich gestaffelt, sodass eine Abstimmung mit dem Vor­berater geboten sein kann. Oder mehrere Berater arbeiten zeitgleich zusammen, da ihre Mandanten wirtschaftlich verflochten sind. Häufig werden auch Spezialisten als Berater in einem bestehenden Mandatsverhältnis hinzugezogen, um ihre jeweilige Expertise in ein Projekt arbeitsteilig einzubringen.

Das Einschalten mehrerer Berater birgt stets Haftungsrisiken. So kann fehlende oder fehlerhafte Kommunikation dazu führen, dass Unklarheiten über Verantwortungsbereiche der jeweils zuständigen Berater bestehen oder ein Berater Tatsachen annimmt, die sich bei Lichte betrachtet anders darstellen. Kommt es dann zu einem Vermögensschaden, kann ein Streit darüber entstehen, wer die Verantwortung trägt. So wird der vom Mandanten in Anspruch genommene Folgeberater möglicher­ weise einwenden, er habe sich auf die Sachverhaltsangaben und die rechtliche Einordnung des Vorberaters verlassen­ dürfen. Der in Anspruch genommene Generalist könnte erwidern, für die Sicherstellung des Steuervorteils wäre der Spezialist zuständig gewesen.

Sachverhalt des Beschlusses des OLG Düsseldorf vom 04.10.2022

Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 04.10.2022 (­I‑23 U 30/22; Vorinstanz LG Düsseldorf, 23 O 17/21) einen instruktiven Fall entschieden, in dem der Spezialist in Anspruch genommen wurde. Die Kläger waren Gesellschafter eines mittelständischen Maschinenbauers und hielten in ihrem steuerlichen Privatvermögen überdies die Anteile an zwei lateinamerikanischen Gesellschaften. Im Zuge deren Integration beauftragten sie die spätere beklagte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Spezialistin. Diese hatte, entgegen der ständigen Steuerberaterin der Kläger, Expertise auf diesem Gebiet. Die Beklagte entwickelte einen Step-Plan, nach dem die Integration der amerikanischen Gesellschaften steuerneutral erfolgen sollte.

Die im Step-Plan vorgesehenen Schritte der Bestimmung des Zwischenwerts für die Ausübung des steuerlichen Bewertungswahlrechts und der sodann vorgesehene Antrag auf Zwischenwertansatz bzw. Buchwertansatz beim zuständigen Finanzamt sind von der Beklagten nicht vorgenommen worden. Strittig blieb im Prozess, wer dafür die Verantwortung trug. Die Steuerberaterin reichte ohne Abstimmung mit der Beklagten Einheits-Bilanzen der neu gegründeten deutschen Holdinggesellschaften beim Finanz­amt ein, in denen die amerikanischen Gesellschaften zum Verkehrswert bilanziert waren.

Die Finanzverwaltung stellte im Rahmen einer Betriebsprüfung sodann fest, dass die Einbringung zum Verkehrs- statt zum Zwischenwert stattgefunden hat und verlangte daher Steuern in erheblichem Umfang nach. Diese begehrten die Kläger von der Beklagten als Schadenersatz.

Nachdem schon das LG die Klage abgewiesen hatte, blieb die Berufung der Kläger und der Steuerberaterin, die als Streithelferin dem Rechtsstreit beigetreten war, ebenfalls erfolglos.

Unterbrechung des Kausalzusammenhangs

Eine etwaige Verletzung der Pflichten der Beklagten als Spezialberaterin sei jedenfalls nicht kausal für den Steuer­ schaden der Kläger gewesen.

Der eingetretene Steuerschaden sei keine adäquate Folge des Handelns der Beklagten. Ein adäquater Zusammenhang besteht, wenn eine Tatsache im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Lauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolgs geeignet war.

Das OLG sah im Handeln der ständigen Steuerberaterin eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs, da diese in völlig ungewöhnlicher und unsachgemäßer Weise in den schadenträchtigen Geschehensablauf eingriff und eine weitere Ursache setzte, die den Schaden erst endgültig herbeiführte.

Schwerwiegende Fehler der Steuerberaterin

Die ständige Steuerberaterin der Kläger habe durch das verfrühte und ohne Absprache mit der Beklagten erfolgte Einreichen der Einheitsbilanz für die deutsche Holdinggesellschaft drei Pflichten ungewöhnlich und grob fahrlässig verletzt.

Zunächst sei es pflichtwidrig gewesen, überhaupt Bilanzen der neuen Gesellschaft einzureichen, ohne sich mit der Beklagten abzustimmen, obwohl die steuerlichen Aspekte der Einbringung gar nicht von der Steuerberaterin beraten worden waren. Fehlerhaft war es darüber hinaus Einheitsbilanzen einzureichen, die sowohl handelsrechtliche, als auch steuerliche Zwecke erfüllten. Schließlich verstieß die ständige Steuerberaterin gegen die ihr obliegenden Pflichten, indem sie keinen Antrag auf Ansatz eines niedrigeren Wertes gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG
stellte.

Die Beklagte verletzte nach den Feststellungen des OLG zudem keine Nebenpflicht, indem sie es unterließ, die Kläger oder ihre Steuerberaterin darauf hinzuweisen, die Bilanzen nicht ohne gleichzeitigen Antrag nach § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG einzureichen. Die Kläger und ihre Steuerberaterin kannten die Notwendigkeit der Einbeziehung der Beklagten und den von ihr entworfenen Step-Plan. Vielmehr sei das eigenmächtige und unabgestimmte Handeln der Steuerberaterin völlig überraschend gewesen. Sie habe offenbar schon die einfachsten, naheliegendsten Überlegungen nicht angestellt.

Da zum Zeitpunkt des pflichtwidrigen Handelns der Steuerberaterin die Antragsfrist gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG nicht abgelaufen war, hafte die Beklagte auch nicht neben der Steuerberaterin.

Fazit

In dem aufgezeigten Fall wird die Haftung für die steuerlichen Folgen der Einbringung der Gesellschaftsanteile zu Verkehrswerten allein der Steuerberaterin zugeschrieben, die als Generalistin die Kläger beriet. Möglicherweise hatte diese die Wirkweise der Beratung der spezialisierten Beklagten nicht vollends verstanden. Folgerichtig wäre es erst recht ihre Pflicht im gemeinsamen Interesse zur Wahrung der Steuervorteile der Mandantschaft gewesen, bei der Beklagten nachzufragen und nur dann tätig zu werden, wenn aus deren Sicht ebenso die vorgesehene Abgabe der Steuererklärungen unproblematisch möglich gewesen wäre. Dadurch wären die schwerwiegenden und offensichtlichen Fehler vermieden worden. Dass die Steuererklärungen das gemeinsame Projekt beider Berater zur Unternehmensumstrukturierung berührte, lag auf der Hand. Der dem Mandatsinteresse verpflichtete Berater muss mögliche Wechselwirkungen seiner eigenen
Tätigkeit immer im Blick haben. Andernfalls droht eine Haftung für Risiken, in deren Verantwortung man sich gar nicht wähnte.

_
Von Michael Thoma
Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) | Justitiar Stv. Abteilungsleiter Schaden