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Haftung bei fehlerhaften Sachverhaltsangaben des Mandanten
Die steuerliche Beratung setzt auf den Sachverhaltsinformationen des Mandanten auf. Oft werden Steuerberater von Ihren Mandanten auch telefonisch um sofortige Beurteilung eines mitgeteilten Sachverhalts gebeten. Die dazu erforderlichen Informationen liegen dann häufig nicht vollständig und schon gar nicht schriftlich vor, sondern ergeben sich nur aus der Erinnerung des Beraters oder der telefonischen Auskunft des Mandanten. Diese Beratungssituation birgt erhebliche
Haftungsgefahren, wie ein jüngst durch das Oberlandesgericht Frankfurt entschiedener Fall zeigt (8 U 205/23).
Sachverhalt
Der Beklagte war langjähriger Steuerberater des klagenden Mandanten, gegen den ab 2015 steuerstrafrechtliche Ermittlungen wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung liefen. Im September 2017 verkaufte der Mandant eine Ende 2007 erworbene Immobilie, um nach Abschluss des Steuerfahndungsberichts die einen Tag vor dem Verkauf festgesetzte Steuer zu begleichen. Da der Verkaufserlös in Höhe von 1,37 Mio. € für die Begleichung der Steuerschuld nicht ausreichte, verkaufte er einige Monate später eine weitere Immobilie, die er erst vier Jahre zuvor gekauft hatte. Durch die Begleichung der Steuer wurde der Kläger nur vor der kleinen Strafkammer wegen seiner Steuerdelikte angeklagt und lediglich zu einer auf Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt.
Der Mandant verklagte seinen Steuerberater auf Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 583.000 €, da dieser ihn bei dem ersten Grundstücksverkauf nicht auf die zehnjährige Spekulationsfrist hingewiesen habe. Nach Behauptung des Klägers hätte er sich bei einem Hinweis auf die Spekulationsfrist stattdessen um eine Zwischenfinanzierung der aufgrund der Steuerdelikte festgesetzten Steuer bemüht und den ersten Grundstücksverkauf ein paar Monate später nach Ablauf der Spekulationsfrist getätigt.
Der Steuerberater verteidigte sich mit einer Gesprächsnotiz, wonach er in einem Telefonat am 29.06.2017 auf die zehnjährige Spekulationsfrist hingewiesen habe. Zudem hätte ihm der Mandant mitgeteilt, die Frist sei „schon rum“. Darüber hinaus bestritt der Steuerberater die Kausalität der Pflichtverletzung für den behaupteten Steuerschaden.
Pflichtverletzung
Das Gericht sieht eine Pflichtverletzung des Steuerberaters als naheliegend an. Dieser war langjähriger Steuerberater des Klägers und in die Steuerfahndungsprüfung eingebunden. Daher hatte er seinen Mandanten vor steuerlichen Fehlentscheidungen zu warnen und musste ihn über die nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu erwartende steuerliche Belastung aus der Immobilienveräußerung umfassend aufklären. Dieser Beratungspflicht hatte der Beklagte nach Ansicht des Gerichts mit seinem Hinweis im Telefonat am 29.06.2017 nicht genügt. Im Hinblick auf die Bedeutung und die Tragweite des Immobilienverkaufs hätte sich der Beklagte nicht auf den lapidaren Hinweis des Mandanten verlassen dürfen, die Spekulationsfrist sei bereits abgelaufen. Vielmehr wäre es erforderlich gewesen, den Ablauf der Frist eigenständig zu verifizieren.
Kein kausaler Schaden
Gleichwohl hat das Oberlandesgericht die gegen das abweisende Urteil eingelegte Berufung des Klägers aus anderen Gründen zurückgewiesen. Die unterbliebene Prüfung des Ablaufs der Spekulationsfrist bzw. der unzureichende Hinweis sei für den geltend gemachten Schaden nicht kausal gewesen. Dem Kläger kam nicht die Beweiserleichterung der Vermutung des beratungsgerechten Verhaltens nach § 287 ZPO zugute. Diese Regelung käme nämlich nur in Betracht, wenn bei zutreffender rechtlicher Beratung allein eine Entscheidung sachgerecht gewesen wäre.
Eine derartige Situation lag nach der Sachverhaltswürdigung des Gerichts nicht vor. Der Kläger befand sich in einer Zwangslage, da ihm eine langjährige Haftstrafe drohte. Er musste schnellstmöglich einen Großteil der immensen Steuer- und Sozialversicherungsforderungen begleichen. Zudem liefen Verzugszinsen und Säumniszuschläge weiter. Das Gericht war im Ergebnis daher überzeugt: Der Kläger hätte seine Verkaufsentscheidung auch bei einer ausreichenden Beratung des Steuerberaters nicht von der Steuerpflichtigkeit des Veräußerungsgewinns abhängig gemacht.
Resümee
Ein aus dem Leben gegriffener Fall: Der Mandant kämpft um seine Freiheit und das wirtschaftliche Überleben und fragt seinen langjährigen Steuerberater telefonisch um Rat. Dieser will seinen Mandanten nicht hängen lassen und steht Rede und Antwort. Auch eine Aktennotiz über die Beratung wird noch gefertigt. Jahre später will der Mandant davon nichts wissen und verlangt Schadensersatz über mehr als eine halbe Million Euro.
Im Nachhinein mag das Verhalten des Mandanten enttäuschend sein. Gleichwohl sollte es als eine Mahnung dienen, Sachverhaltsangaben des Mandanten kritisch zu hinterfragen, da, wie die Entscheidung zeigt, die Gerichte strenge Anforderungen an eine ordnungsgemäße steuerliche Beratung legen. Je größer die wirtschaftliche Bedeutung einer Entscheidung für den Mandanten ist, desto sorgfältiger muss der Sachverhalt aufgearbeitet werden. Daher genügte dem Gericht hier die telefonische Beratung des Mandanten nicht. Vielmehr hätte der Steuerberater im Nachgang des Telefonats den genauen Ablauf der Spekulationsfrist und gegebenenfalls den Umfang der drohenden Steuer auf den Veräußerungsgewinn ermitteln müssen, damit der Mandant eine sachgerechte Entscheidung treffen kann. Dass der Mandant in dem hier vorgestellten besonderen Fall die Immobilie trotzdem vor Ablauf der Spekulationsfrist verkauft hätte, ist naheliegend und bewahrte den Steuerberater vor einer erheblichen Schadensersatzforderung.
Von Michael Thoma
Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) | Justitiar
Stv. Abteilungsleiter Schaden
Zitat:
„Das Gericht war im Ergebnis daher überzeugt: Der Kläger hätte seine Verkaufsentscheidung auch bei einer ausreichenden Beratung des Steuerberaters nicht von der Steuerpflichtigkeit des Veräußerungsgewinns abhängig gemacht.“