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29. Mai 2015 | Rechtsprechung

Urteil OLG Hamm vom 29.05.2015: Rechtsanwalt muss Handakten herausgeben

Das anwaltliche Berufsrecht verpflichtet einen Rechtsanwalt, nach der Beendigung eines Mandats die von ihm geführten Handakten herauszugeben, wenn der Mandant diese zur weiteren Verfolgung seiner Rechtsangelegenheiten benötigt und die dem Anwalt zustehende Vergütung entrichtet hat. Das hat der beim Oberlandesgericht Hamm ansässige Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen – in Vollzug des Revisionsurteils des Senats für Anwaltssachen beim Bundesgerichtshof – entschieden (OLG Hamm, Urteil vom 29.5.2015 – 1 AGH 1/15; rechtskräftig).

Hintergrund: Der BGH hatte kürzlich klargestellt, dass grds. eine Berufspflicht zur Herausgabe der Handakten bestehe. Diese sei zwar nicht ausdrücklich in § 50 BRAO geregelt, sie sei aber aus der Generalklausel des § 43 BRAO in Verbindung mit §§ 675, 667 BGB und inzidenter auch der Vorschrift des § 50 BRAO zu entnehmen; BGH, Urteil vom 3.11.2014 – AnwSt (R) 5/14 und Urteil vom 3.11.2014 – AnwZ (Brfg) 72/13.

Sachverhalt: Der berufsrechtlich angeschuldigte, heute 45-jährige Rechtsanwalt vertrat ein Ehepaar in drei gerichtlichen Verfahren. 2008 wechselte der Anwalt in eine andere Kanzlei, seine Mandanten entrichteten die ihm zustehenden Gebühren und Auslagen. Außerdem beauftragten sie einen anderen Rechtsanwalt mit der weiteren Verfolgung ihrer Rechtsangelegenheiten. Dieser forderte den angeschuldigten Anwalt von Juni 2008 bis September 2012 vergeblich auf, ihm die Mandanten-Handakten zur Weiterführung des Mandats herauszugeben.

Hierzu führte das Gericht weiter aus:

  • Nach der – nunmehr geänderten – Rechtsprechung bejaht der Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen neben der zivilrechtlichen jetzt auch eine berufsrechtliche Pflicht zur Herausgabe von Handakten.
  • Er hat deswegen den angeschuldigten Rechtsanwalt wegen Verletzung seiner berufsrechtlichen Pflichten mit einem Verweis belegt und zur Zahlung einer Geldbuße i. H. v. 2.000 Euro verurteilt.
  • Das anlasslose Zurückhalten von Handakten stelle, so der Anwaltsgerichtshof, ein gravierendes Fehlverhalten des angeschuldigten Rechtsanwalts dar. Denn der Mandant übergebe dem Rechtsanwalt seine Unterlagen in dem Vertrauen, das sich der Rechtsanwalt für ihn einsetze und dabei rechtmäßig verhalte.
  • Werde das Mandat – aus welchen Gründen auch immer – vorzeitig beendet und verfolge der Mandant seine Rechtsangelegenheiten mit einem anderen Rechtsanwalt weiter, könne er mit Fug und Recht erwarten, dass er die seinem früheren Bevollmächtigten ausgehändigten Unterlagen zurückerhalte.
  • Sei sein früherer Bevollmächtigter hinsichtlich seiner Gebühren und Auslagen befriedigt, gebe es keinerlei Grund, der das Zurückhalten von Handakten rechtfertigen könne. Ein solches Verhalten sei dann mit der gewissenhaften Berufsausübung eines Rechtsanwalts unvereinbar und widerspreche im hohen Maße dem Vertrauen, welches der frühere Mandant in den zuerst beauftragten Rechtsanwalt gesetzt habe.

Hinweis:  Im Steuerberatungsgesetz ist die Pflicht zur Herausgabe von Handakten nicht ausdrücklich normiert. Sie ergibt sich aber unstreitig aus den zivilrechtlichen Vorschriften des Auftragsrechts. Die Verletzung der Herausgabepflicht wird bei Steuerberatern als Berufspflichtverletzung gem. § 66 StBerG angesehen. Es ist daher damit zu rechnen, dass der BGH einen Verstoß gegen die Herausgabepflicht als strafbares Verhalten qualifizieren wird (s. Berners, NWB 18/2015, 1334).

Quelle: NWB Nachrichten