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15. September 2016 | Fachzeitschriften

Lohnbuchhaltung und Sozialversicherungsrecht

Zu den Standardaufträgen, die an einen steuerlichen Berater herangetragen werden, gehört die Lohnbuchhaltung. Hierdurch sind zwangsläufig sozialversicherungsrechtliche Themen betroffen, die regelmäßig vielfältige Probleme mit sich bringen. Über nachfolgenden Sachverhalt hatten auch jüngst wieder die Gerichte, abschließend das OLG Koblenz, zu entscheiden.

 

Im zugrundeliegenden Fall betrieb die Klägerin an zwei verschiedenen Standorten je eine Postagentur, in der jeweils auch Modeschmuck verkauft wurde. Die Mitarbeiter wurden sozialversicherungsrechtlich getrennt zum einen als Minijobber und zum anderen als Gleitzonenmodell abgerechnet. Die Betriebsprüfung war indes der Ansicht, diese sozialversicherungsrechtliche Behandlung sei nicht zutreffend. Bei den betroffenen Arbeitnehmern sei von einem einheitlichen versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen. Denn diese waren an beiden Standorten sowohl im Verkauf als auch für die Agentur tätig, ihre Tätigkeiten wurden an beiden Standorten im gleichen Geschäftslokal ausgeübt und die Klägerin war die jeweilige Arbeitgeberin. Entsprechend wurden Sozialversicherungsbeiträge nacherhoben.

 

Die Klägerin war der Auffassung, durch die Nachentrichtung der Sozialversicherungsbeiträge sei ihr ein Schaden entstanden. Diesen habe die beklagte Steuerberatungsgesellschaft, der die komplette Steuerberatung oblegen habe, in vollem Umfang zu ersetzen.

 

Nachdem das LG mit Urteil vom 13. Januar 2016 die Klage vollumfänglich abgewiesen hatte, erließ das nach Berufungseinlegung zuständige OLG Koblenz am 13. Mai 2016 einen Hinweisbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO. In diesem legte der Senat dar, weshalb er erwäge, die Berufung zurückzuweisen. Tragende Entscheidungsgründe beider Gerichte waren hierbei folgende Ausführungen:

 

Zunächst stellten beide Gerichte klar, dass keine Verletzung der Pflichten der Beklagten als Steuerberatungsgesellschaft vorläge, denn ein steuerlicher Berater schulde im Rahmen eines ihm erteilten Steuerberatungsmandats keine sozialversicherungsrechtliche Beratung. Weder der Steuerberatungsauftrag noch die im Zusammenhang damit beauftragte Lohnbuchhaltung, verpflichteten den steuerlichen Berater zur Beratung in sozialversicherungsrechtlichen Fragen. Die bloße Anfertigung des Rechenwerkes bedeute nämlich noch keine Rechtsberatung in sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten und verpflichte den steuerlichen Berater erst recht nicht zu deren Aufnahme in einem weitergehenden Umfang.

 

Darüber hinaus waren beide Gerichte der Auffassung, dass kein kausaler Schaden entstanden sei. Denn bei den Sozialversicherungsbeiträgen, die die Klägerin nachentrichten musste, handele es sich von vornherein nicht um einen Schaden, weil die entsprechenden Bescheide gemäß den gesetzlichen Vorschriften ergangen waren. Die Beiträge wären auch dann angefallen, wenn die Beschäftigungsverhältnisse sozialversicherungsrechtlich von Anfang an zutreffend behandelt worden wären.

 

Schließlich musste sich die Klägerin noch entgegen halten lassen, dass es bei ihr wegen der erhöhten Beitragslast zu einer Steuerersparnis gekommen war. Diese Ersparnis musste sie sich im Rahmen des Gesamtvermögensvergleichs auf den von ihr behaupteten Schaden anrechnen lassen.

 

Die Ausführungen des OLG waren so überzeugend, dass die Berufung anschließend zurückgenommen wurde.

 

Dieser relativ unspektakuläre Haftpflichtprozess macht in prägnanter Weise noch einmal deutlich, dass der Mandatsauftrag zur Lohnbuchhaltung nicht die Rechtsberatung in sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten umfasst. Die Ausführungen der beiden Gerichte liegen dabei auf einer Linie mit der obergerichtlichen Rechtsprechung.

 

Losgelöst hiervon ist freilich die Frage zu stellen, inwieweit Beratungsfehler in sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten überhaupt von der Berufshaftpflichtversicherung abgedeckt sind. Es spricht viel dafür, dass der steuerliche Berater, der bei der Prüfung der Beitragspflicht oder bei der Berechnung der Höhe der abzuführenden Beiträge auf Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art stößt oder dem sich die Rechtslage als unklar darstellt, den sich stellenden sozialversicherungsrechtlichen Fragen nicht selbst nachgehen darf. Zur Beratung in sozialversicherungsrechtlichen Fragen dürfte ein Steuerberater weder berechtigt noch verpflichtet sein (siehe hierzu auch BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 – IX ZR 246/02), mit der Folge, dass er seinem Mandanten anheim stellen sollte, einen mit den notwendigen Kenntnissen und Erfahrungen ausgestatteten Rechtsanwalt aufzusuchen.

 

Andreas Kraus, Rechtsanwalt/Justitiar, Versicherungsstelle Wiesbaden, Versicherergemeinschaft für das wirtschaftliche Prüfungs- und Treuhandwesen

Quelle:
WPK Magazin 3/2016