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15. Mai 2019 | Fachzeitschriften

Kausalität der Pflichtverletzung

Führt eine fehlerhafte Bewertung eines Wirtschaftsguts des Sonderbetriebsvermögens automatisch zu einem ersatzpflichtigen Schaden für den Mandanten? Nicht ohne Weiteres. Eine fehlerhaft höhere Bewertung eines Wirtschaftsguts des Sonderbetriebsvermögens hat zunächst keine negativen Konsequenzen für den Steuerpflichtigen. Eine Berichtigung des Fehlers gegenüber dem Finanzamt ist regelmäßig möglich. Kommt es jedoch vor einer Korrektur des fehlerhaften Wertes zur Entnahme aus dem Sonderbetriebsvermögen werden stille Reserven in Höhe des nicht korrigierten Buchwertes aufgedeckt und eine erhöhte Steuerlast festgesetzt. Für den Steuerpflichtigen erscheint ein haftungsbegründendes Verschulden des steuerlichen Beraters naheliegend.

Ein Anspruch auf Schadensersatz gegenüber dem steuerlichen Berater setzt jedoch voraus, dass der Berater eine ihm zurechenbare Pflichtverletzung begangen hat und daraus ein Schaden für seinen Mandanten entstanden ist. Die Pflichtverletzung muss kausal für den Schadenseintritt gewesen sein. Eine kausale Pflichtverletzung liegt jedoch dann nicht vor, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Aufdeckung der stillen Reserven eine von mehreren Handlungsalternativen gewesen ist und der Steuerpflichtige sich aus freien Stücken dafür entschieden hat.

Mit Urteil vom 1. März 2019 – 15 U 80/18 bestätigte das OLG Karlsruhe die erstinstanzliche Entscheidung des LG Mosbach, Urteil vom 13. April 2018 – 2 O 70/17, die Klage des Steuerpflichtigen gegen seine steuerliche Beraterin abzuweisen, da eine kausale Pflichtverletzung der Beklagten nicht gegeben war und somit ein Schadensersatzanspruch nicht bestand.

Der Kläger unterhielt als Mitgesellschafter einer GbR einen landwirtschaftlichen Betrieb. Die Beklagte erstellte die jährliche Einnahmenüberschussrechnung sowie die Inventarliste des Sonderbetriebsvermögens der GbR. Mit der Steuererklärung 2011 reichte die Beklagte die Inventarliste Sonderbetriebsvermögen für das landwirtschaftliche Wirtschaftsjahr 2011/2012 ein. Darin befand sich ein Grundstück des Klägers, welches mit einer vermieteten Halle bebaut war. Das Grundstück zählte zum gewillkürten Sonderbetriebsvermögen des Klägers als Gesellschafter der GbR. Die Beklagte setzte das Grundstück mit einem Wert von 299.089 Euro in der Inventarliste an. Durch Übertragung einer Rücklage gemäß § 6b EStG im Jahr 1999 war der Wert des Grundstücks seither jedoch auf 0 Euro gemindert worden. Der unzutreffende Wertansatz hatte im Wirtschaftsjahr 2011/2012 keine Auswirkungen.

Nach Bekanntwerden der fehlerhaften Bewertung des Grundstückes informierte die Beklagte den Kläger über ihren Fehler. Sie wies im Gespräch darauf hin, dass der Wert gegenüber dem Finanzamt zu korrigieren sei. Eine Verwertung des Grundstücks vor Korrektur des fehlerhaften Betrages hätte eine Aufdeckung der stillen Reserven in Höhe des fehlerhaften Wertes zur Folge. Auf Anfrage des Klägers wies die Beklagte – neben der Entnahme des Grundstücks – auch auf alternative Handlungsmöglichkeiten hin. Zum Zeitpunkt des aufklärenden Gesprächs hatte der Kläger noch keine Entscheidung über die weitere Verwertung des Grundstücks getroffen.

Im Folgejahr wechselte der Kläger den steuerlichen Berater. Ohne den Nachfolgeberater über den fehlerhaften Wert in der Inventarliste zu informieren, ließ er das Grundstück in sein Privatvermögen überführen. Zur Ermittlung des Entnahmegewinns wurde der Buchwert des Grundstücks aus der fehlerhaften Inventarliste des Sonderbetriebsvermögens angesetzt. Der ermittelte Entnahmegewinn betrug 124.647,69 Euro und wurde jeweils hälftig in den Veranlagungszeiträumen 2012 und 2013 versteuert.

Der Kläger erhob Klage vor dem Landgericht und begehrte Schadensersatz für die nun zu zahlende erhöhte Steuerlast. Der Kläger trug vor, die erhöhte Steuerlast sei auf die von der Beklagten erstellte fehlerhafte Inventarliste zurückzuführen. Das Landgericht wies die Klage als unbegründet ab. In zweiter Instanz bestätigte das Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts und begründete seine ablehnende Entscheidung insbesondere damit, dass der Kläger den Kausalzusammenhang zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten der Beklagten und dem beim Kläger eingetretenen Schaden nicht bewiesen und einen Schadenseintritt nicht dargelegt hat.

Das Landgericht sowie das Oberlandesgericht gingen von einer Pflichtverletzung der Beklagten aus. Diese sei jedoch nicht kausal für die entstandene erhöhte Steuerlast durch die Entnahme des Grundstücks. Wird ein Entnahmeschaden geltend gemacht, muss der Kläger darlegen, mit welcher alternativen Gestaltungsmöglichkeit die Entnahmegewinnbesteuerung ganz oder teilweise vermieden worden wäre. Der Kläger hat zu beweisen, wie er sich bei vertragsgerechter Beratung verhalten hätte, § 287 ZPO. Dieser Kausalitätsnachweis wird mit der Vermutung beratungsgerechten Verhaltens durch die Regeln des Anscheinsbeweis erleichtert (vgl. BGH, NJW 2015, 3447, 3488).

Die Beweiserleichterung kommt jedoch nur dann zur Anwendung, wenn aufgrund der Interessenlage des Steuerpflichtigen eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahe gelegen hätte. Der Anscheinsbeweis ist jedoch nicht anwendbar, wenn aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten mehrere Handlungsmöglichkeiten in Betracht gekommen wären und der Berater lediglich die erforderlichen Informationen für eine sachgerechte Entscheidung zu geben hatte. Lässt der Mandant offen, für welche Vorgehensweise er sich entschieden hätte, ist die erforderliche Schadenswahrscheinlichkeit des Anscheinsbeweises nur erfüllt, wenn diese sich für alle Handlungsoptionen ergibt.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat der Kläger nicht die erforderliche haftungsausfüllende Kausalität nachweisen können. Dem Kläger stand neben der Möglichkeit der Privatentnahme zumindest die Möglichkeit offen, das Grundstück im Sonderbetriebsvermögen zu belassen. Der Kläger hatte sich im Zeitpunkt der Information der Beklagten über die fehlerhafte Bewertung und die möglichen Handlungsalternativen noch nicht auf eine konkrete Handlungsmöglichkeit festgelegt. Der Kläger hat auch nicht für alle ihm aufgezeigten Handlungsalternativen eine Schadenswahrscheinlichkeit nachweisen können.

Im konkreten Fall ist die steuerliche Beraterin durch ihren offenen Umgang mit der fehlerhaften Bewertung und dem zeitgleichen Aufzeigen der Korrekturmöglichkeit sowie der Handlungsalternativen dem Eintritt eines kausalen Schadens entgegen getreten. Wäre eine Aufklärung unterblieben, hätte eine wirtschaftliche Abwägung zwischen den verschiedenen Handlungsalternativen nicht objektiv durch den Mandanten vorgenommen werden können.

Eva Buus, Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin), Fachanwältin für Steuerrecht,
VSW – Die Versicherergemeinschaft für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer

Quelle:
WPK Magazin 2/2019