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20. September 2017 | Kundenmagazin

Haftungsfalle Sanierungs-Gutachten IDW S 6?

Die Anforderungen an die Erstellung eines Sanierungsgutachtens wurden insbesondere aufgrund der Weiterentwicklung der BGH-Rechtsprechung bis zur Verabschiedung des Standards IDW S 6 am 20.8.2012 erheblich angehoben. Die im Berufsstand geäußerten Bedenken, dass sich daraus neue haftungsrechtliche Risiken für die Sanierungsgutachter ergeben, haben sich in mehreren Fällen durchaus bewahrheitet. Jedoch können diese Risiken durch entsprechende Sorgfalt bei Auftragsannahme und -abwicklung verringert werden.

Das hier vorgestellte Klage abweisende Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29.7.2016 (AZ: 3 03 O 136/12, rechtskräftig) verdeutlicht instruktiv, dass durch eine Abweichung der Auftraggeber vom selbst erstellten Sanierungskonzept der Ursachenzusammenhang zwischen dem behaupteten Fehler des Berufsträgers und dem Schaden unterbrochen wird.

Die Klägerin hatte behauptet, dass das streitgegenständliche Sanierungsgutachten durch die Annahme zu hoher prognostizierter Umsätze und Umsatzsteigerungen fehlerhaft gewesen sei. Dadurch sei wegen eines erhöhten Finanzierungsbedarfs, zusätzlicher Beraterkosten, weiterer Investitionen und Zinsen ein Schaden von über 55 Mio. Euro entstanden. Die beklagte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat dagegen eingewendet, es sei alleiniger Prüfungsmaßstab gewesen, ob das von der Klägerin selbst erstellte Sanierungskonzept den Anforderungen nach dem Standard IDW S 6 entspreche. Neben den Umsatzsteigerungen durch Preiserhöhungen und einer erhöhten Kundenzahl seien aber weitere Maßnahmen erforderlich gewesen, worauf die Beklagte in dem Gutachten hingewiesen habe. Die Klägerin habe aber den vorgesehenen Sanierungspfad nicht eingehalten, sondern habe andere, kostenintensive Maßnahmen getroffen, die letztlich zu dem weiteren Finanzierungsbedarf geführt hätten.

Dem Sanierungsgutachten lag das von der Klägerin übermittelte Datenmaterial zugrunde, wonach in einem Geschäftsbereich eine Steigerung der Umsätze in Höhe von 10 % jährlich durch Preiserhöhungen erwartet wurde. Die Umsetzung dieser Preissteigerungen ist aber von der Klägerin zu keinem Zeitpunkt konkret geplant bzw. durchgeführt worden. Da es nach dem vereinbarten Auftrag nicht Aufgabe der Beklagten war, zu überprüfen, ob die Klägerin die Sanierungsmaßnahmen durchführt oder dazu Vorbereitungsmaßnahmen trifft, kam es auch nicht darauf an, ob die Beklagte erkennen konnte, ob eine reale Preissteigerung mit einem Vorlauf von sechs Monaten geplant war.

Das Landgericht Frankfurt am Main hat die Kausalität zwischen der behaupteten Pflichtverletzung und den behaupteten Vermögensschäden als nicht gegeben angesehen. Ein Kausalzusammenhang sei dann zu verneinen, wenn eine Zweitursache so weit in den Vordergrund rückt, dass die Erstursache völlig verdrängt wird und der Schaden dem Erstverursacher nicht mehr zugerechnet werden kann, sodass seine Haftung vollständig entfällt (Unterbrechung des Kausalzusammenhangs).

Das Landgericht begründet die Klageabweisung mit der Abweichung der Unternehmensleitung vom sogenannten Sanierungspfad, ohne die Sanierungsgutachterin darüber zu informieren. Der Sanierungspfad war jedoch Grundlage des auf Anregung der verklagten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft angepassten Businessplans gewesen.

Die Frage einer etwaigen Pflichtverletzung der mit der Erstellung des Sanierungsgutachtens beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bei der Prüfung der von der Unternehmensleitung prognostizierten Umsatzannahmen wurde offen gelassen.

Entscheidend ist, dass die Klägerin andere Restrukturierungsmaßnahmen getroffen hat, deren Kosten ausweislich der Konzernbilanz mit über 8 Mio. Euro beziffert wurden und mit der Verlagerung des Unternehmenssitzes zusätzliche Personal-, Vertriebs- und Verwaltungskosten verursachten. Da die Beklagte zum Zeitpunkt der Erstellung des Sanierungsgutachtens davon keine Kenntnis hatte und die zuvor genannten Maßnahmen auf Initiative der Klägerin erfolgten, wurde dadurch der Kausalzusammenhang zu etwaigen Fehlern des Sanierungsgutachtens unterbrochen.

Weiterhin wurde das Ausmaß des Mitverschuldensanteils der Klägerin vom Landgericht als so erheblich angesehen, dass die Klage auch aus diesem Grund abgewiesen worden wäre, selbst wenn die Kausalität einer unterstellten Pflichtverletzung angenommen worden wäre. Die Beklagte hatte sich vor Abgabe des Sanierungsgutachtens schriftlich bestätigen lassen, dass sich die Planungsgrundlagen, die Gegenstand des Entwurfs des Sanierungsgutachtens gewesen waren, nicht geändert hatten. Zu diesem Zeitpunkt war der Klägerin aber bewusst, dass sie keine Preiserhöhungen durchführen wollte und ihr dies aufgrund der dafür erforderlichen Vorlaufzeit auch nicht mehr möglich war. Aufgrund der Verletzung der umfassenden Informationspflicht, die gravierende Auswirkungen auf die Liquiditätsberechnung hatte, ging das Landgericht davon aus, dass dadurch ein Schadenersatzanspruch der Klägerin auf Null reduziert worden wäre.

Zur Vermeidung von Haftungsrisiken im Zusammenhang mit einem Sanierungsgutachten sollte bereits bei der Auftragsannahme dokumentiert werden, dass die Erstellung des Sanierungskonzepts in der alleinigen Verantwortung des Auftraggebers liegt und der Sanierungsgutachter nur eine Überprüfung nach dem IDW Standard S 6 vorzunehmen hat. Soweit geplante Umsatzsteigerungen und Kundenzuwächse auf den Prognosen der Unternehmensleitung beruhen, empfiehlt es sich, dies im Sanierungsgutachten explizit kenntlich zu machen. Vor der Übergabe der Endfassung des Sanierungsgutachtens an den Auftraggeber, sollte dieser zudem – wie hier geschehen – schriftlich bestätigen, dass der Businessplan und die darauf basierenden Kennzahlen des Unternehmens nicht abgeändert wurden.