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Haftung des Jahresabschlussprüfers gegenüber Anlegern bei Abdruck des Testates im Emissionsprospekt
Wirtschaftsprüfer bleiben im Fokus der Anleger und der Anlegerschutzanwälte als Adressaten von Schadensersatzansprüchen bei fehlgeschlagenen Investments. In einem Massenverfahren gegen Wirtschaftsprüfer hat das OLG Nürnberg jüngst die ersten Entscheidungen getroffen. Eine AG hatte in mehreren Jahren Unternehmensanleihen aufgelegt und jeweils über einen Emissionsprospekt angeboten. Die uneingeschränkten Bestätigungsvermerke des jeweiligen Prüfers des aktuellen Jahresabschlusses waren in den Emissionsprospekten abgedruckt. Die Anleger sind nach der Insolvenz der AG mit ihren Anleihen im Wesentlichen ausgefallen. Viele der Anleger klagen gegen die beiden Abschlussprüfer, deren Testate sie für fehlerhaft halten. Ohne diese Testate in den Prospekten hätten sie die Anleihen nicht erworben.
Nachdem die beiden mit den Verfahren befassten Kammern des LG Nürnberg-Fürth die Klagen jeweils abgewiesen hatten, hat das OLG Nürnberg mit Urteilen vom 23. Februar 2016 die ersten Berufungen zurückgewiesen (6 U 1189/15; 6 U 1261/15 u. a.).
Eine Verantwortlichkeit des Wirtschaftsprüfers für den gesamten Prospekt aus gesetzlicher Prospekt-haftung, wie sie die Initiatoren oder Hintermänner trifft, lehnte das OLG ab. In Betracht kam jedoch eine Prospekthaftung im engeren Sinn als Garant für einzelne, den Beklagten zuzurechnende Prospektaussagen. Das OLG hält alleine den Abdruck der Bestätigungsvermerke über den Jahresabschluss für eine solche Haftung grundsätzlich für ausreichend und beruft sich auf Aussagen des BGH in dessen Urteil vom 21. Februar 2013 – III ZR 139/12, Rn. 12 (WPK Magazin 3/2013, Seite 49). Ob das Tätigwerden der Beklagten bereits ausreicht, um eine Mitwirkung an der Prospektgestaltung zu bejahen, hält das OLG indes für zweifelhaft, lässt diese Frage jedoch offen. Ein Schadensersatzanspruch scheiterte hier nämlich bereits daran, dass eine Fehlerhaftigkeit der Bestätigungsvermerke und damit eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht festgestellt werden konnte. Insbesondere haben die Kläger ein behauptetes Schneeballsystem, die vermeintliche Fehlerhaftigkeit der bilanzierten Aktiva und eine angebliche Insolvenzreife nicht schlüssig darlegen können. Das OLG weist zudem darauf hin, dass die Beklagten keine umfassende Rechts- und Wirtschaftlichkeitsprüfung schuldeten, sondern eine bloße Rechnungslegungsprüfung.
Mangels Fehlerhaftigkeit der Testate kamen auch keine Ansprüche aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht. Nach Ansicht des OLG spricht im Übrigen vieles dafür, dass der – auszulegende – Vertrag über die Jahresabschlussprüfung keine Schutzwirkung zugunsten der Anleger entfaltet. Im Regelfall kann nicht angenommen werden, dass der Abschlussprüfer bereit ist, ein so weites Haftungsrisiko zu übernehmen, wie es sich aus der Einbeziehung einer unbekannten Vielzahl von Gläubigern, Gesellschaftern oder Anteilserwerbern in den Schutzbereich ergäbe; auch im Rahmen der vertraglichen Dritthaftung des Abschlussprüfers ist die in § 323 HGB zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Intention, das Haftungsrisiko des Wirtschaftsprüfers angemessen zu begrenzen, zu beachten (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 – III ZR 424/04, Rn. 12 f. [WPK Magazin 3/2006, Seite 40]). In den vorliegenden Fällen waren die Verträge nicht davon abweichend auszulegen. Für einen – stillschweigend geschlossenen – Auskunftsvertrag zwischen Klägern und Beklagten oder eine deliktische Haftung lagen keine Anhaltspunkte vor.
Einige Anleger haben Nichtzulassungsbeschwerden eingelegt. Es bleibt abzuwarten, ob die Verfahren durchgeführt werden und sich der BGH zu diesem Komplex näher äußern wird.
Die Urteile des OLG sind im Ergebnis positiv. Zu weitgehend erscheint jedoch die Annahme, dass alleine der Abdruck des Bestätigungsvermerks in einem Verkaufsprospekt zu einer Garantenhaftung des Abschlussprüfers führt. Mit Urteil vom 24. April 2014 – III ZR 156/13 (WPK Magazin 3/2014, Seite 50) hat der BGH zwar in einer anderen Angelegenheit eine Haftung des Wirtschaftsprüfers gegenüber einem Anleger aus einem fehlerhaften Prüfungsergebnis über die Gewinnprognosen angenommen. Die beabsichtigte Weitergabe des Testats an Dritte – durch die Aufnahme in den Prospekt und die Verwendung des Prospekts bei der Zeichnung von Aktien durch Anleger – war dabei jedoch Grundlage des Auftrags (BGH, a. a. O., Rn. 16). In den durch das OLG zu entscheidenden Fällen handelte es sich dagegen um Jahresabschlussprüfungen nach § 317 HGB, die nicht im Hinblick auf eine Veröffentlichung in einem Verkaufsprospekt erfolgt sind. In den vorliegenden Fällen gab es keine Anhaltspunkte, die für eine Mitwirkung an der Prospektgestaltung sprachen, nicht einmal eine ausdrückliche Einwilligung des Abschlussprüfers für den Abdruck der Testate.
Heiner Weskamp, Rechtsanwalt, Versicherungsstelle Wiesbaden, Versicherergemeinschaft für das wirtschaftliche Prüfungs- und Treuhandwesen
Quelle:
WPK Magazin 2/2016