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14. Juli 2021 | Mitteilungen

FISG | Haftungsverschärfung für Abschlussprüfer durch das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz

Zum 01.07.2021 ist das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) in Kraft getreten.

Rechtslage bisher
Nach der bisher geltenden Regelung in § 323 Abs. 2 HGB a. F. war die Haftung des fahrlässig handelnden Abschlussprüfers, seiner Gehilfen und der bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter der Prüfungsgesellschaft begrenzt auf eine Millionen Euro für eine einzelne Prüfung. Bei Aktiengesellschaften, deren Aktien zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, beschränkte sich die Haftung für fahrlässige Pflichtverletzungen auf vier Millionen Euro. Der vorsätzlich agierende Abschlussprüfer haftete der Höhe nach unbeschränkt.

Diese Regelung wurde in mehrfacher Hinsicht erheblich verschärft.

Neue Haftungshöchstgrenzen
Nach der seit dem 01.07.2021 geltenden Fassung des § 323 Abs. 2 HGB haften der Abschlussprüfer, seine Gehilfen und die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter der Prüfungsgesellschaft zukünftig gegenüber Kapitalgesellschaften, die ein Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz 2 Nr. 1 sind, mit einem Betrag von bis zu sechzehn Millionen Euro (§ 323 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HGB) für eine Prüfung, gegenüber Kapitalgesellschaften, die ein Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz 2 Nr. 2 oder 3, aber nicht nach § 316a Satz 2 Nr. 1 sind, mit einem Betrag von bis zu vier Millionen Euro (§ 323 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGB) und gegenüber allen weiteren Kapitalgesellschaften mit einem Betrag von bis zu einer Millionen fünfhunderttausend Euro (§ 323 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 HGB).

Verschuldensgrad
Die Haftung der Prüfer wird aber besonders noch dadurch verschärft, dass diese Haftungsbeschränkung nur bei sog. einfach fahrlässigen Pflichtverletzungen gilt. Wie bisher gilt sie nicht bei vorsätzlichem Verhalten.

Bei grob fahrlässigem Verhalten haftet der Abschlussprüfer nun gegenüber Kapitalgesellschaften nach § 323 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HGB in unbeschränkter Höhe und gegenüber Kapitalgesellschaften nach § 323 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGB in Höhe von bis zu zweiunddreißig Millionen Euro pro Prüfung. Gegenüber allen sonstigen Kapitalgesellschaften gilt bei grober Fahrlässigkeit eine Haftungshöchstgrenze von zwölf Millionen Euro pro Prüfung.

Diese verschärfte Haftung bei grober Fahrlässigkeit trifft nur den Abschlussprüfer, nicht aber die Gehilfen oder mitwirkende gesetzliche Vertreter der Prüfungsgesellschaft.

Grobe Fahrlässigkeit
Ein grob fahrlässiges Verhalten soll dann gegeben sein, wenn die Personen „die verkehrsübliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße außer Acht lassen und das nicht beachten, was sich im gegebenen Fall jedem aufgedrängt hätte“ (BT-Drucks. 19/26966 S. 104,105). Einfache Fahrlässigkeit soll hingegen gegeben sein, wenn die „besonderen Merkmale grober Fahrlässigkeit nicht erfüllt sind“ (Palandt, § 276 BGB Rn. 14, 80. Aufl. 2021).

So einfach diese Abgrenzung auf den ersten Blick erscheinen mag, so komplex und äußerst schwierig wird dies in der Praxis umzusetzen sein. Denn „eine Grenzziehung zwischen fahrlässigem und grob fahrlässigem Handeln ist nicht objektiv zu ziehen und eher schwimmend“ (Schramm/Kreienkamp, Deckungsrechtliche Auswirkungen der geplanten Haftungsverschärfung für Abschlussprüfer, r+s 2020, 682 f.).

Die Abgrenzungsfrage wird damit erst durch die Rechtsprechung entschieden werden.

Anspruchssummen
Eine Erhöhung der Haftungssumme zieht immer auch eine steigende Zahl an Anspruchsbehauptungen und Gerichtsverfahren nach sich. Dies war bereits nach Einführung des KonTraG zu beobachten und wird sich nun, da einerseits die Haftungssummen spürbar erhöht wurden und andererseits die Schwelle zur Haftung mit den höheren Summen gesenkt wurde, zweifellos wieder zeigen.

War etwa in einem konkreten Fall vom Kläger ein Betrag von zwölf Millionen Euro (drei Prüfungen in drei Jahren mit jeweils vier Millionen Euro) wegen behaupteter fahrlässiger Pflichtverletzung des Prüfers eingeklagt worden, steht zu erwarten, dass in einem vergleichbaren Fall in Zukunft mindestens ein Betrag in Höhe eines höheren zweistelligen Millionenbetrages eingeklagt wird (dreimal sechzehn Millionen Euro oder bei behauptet grober Fahrlässigkeit auch mehr).

Verweisungstätigkeit
Die Haftungsverschärfung durch das FISG ist nicht beschränkt auf die Abschlussprüfung.

In einer ganzen Reihe von Fällen die außerhalb der Jahresabschlussprüfung liegen, wird vom Gesetzgeber die Regelung des § 323 HGB für entsprechend anwendbar erklärt. Beispielhaft sei hier nur auf die Gründungs- und Nachgründungsprüfung (§§ 49, 53 AktG), die Prüfung von Unternehmensverträgen (§ 293d Abs. 2 AktG) wie auch zusätzlich auf die Regelungen im EEG (§ 64 Abs. 3 Nr. 1c EEG 2021, § 75 EEG 2021) verwiesen. Bei all diesen handelt es sich um Tätigkeitsbereiche, die durchaus haftungsrelevant sind.

Zeitlicher Beginn der Geltung der neuen Regelungen
Nach der Regelung in Art. 86 Abs. 1 EG-HGB ist die ab 01.07.2021 geltende Fassung des § 323 HGB erst auf Abschlussprüfungen des nach dem 31.12.2021 beginnenden Geschäftsjahres anzuwenden. Dennoch kann bereits kurzfristig das Risiko aus der Neuregelung wirksam werden. Denn zum einen kann in 2022 ein Rumpfgeschäftsjahr gebildet werden, das nach dem 31.12.2021 beginnt aber vor dem 31.12.2022 endet, insbesondere bei Umstellung des Geschäftsjahres weg vom Kalenderjahr. Die erhöhte und verschärfte Haftung könnte in diesen Fällen damit bereits frühzeitig in 2022 eintreten.

Zum andern sind die vorgenannten Fallgestaltungen zu berücksichtigen, in denen bei anderen Prüfungstätigkeiten außerhalb der Jahresabschlussprüfung auf § 323 HGB Bezug genommen wird. Zumindest nach dem Wortlaut des Gesetzes ist für diese nämlich keine Übergangsfrist vorgesehen, sondern greift die erhöhte Haftung bereits seit dem 01.07.2021.

Leichtfertigkeit
Der Gesetzgeber hat jedoch nicht nur diese rein zivilrechtlichen Haftungsnormen verschärft, sondern auch die strafrechtliche Sanktion der Verletzung der Berichtspflicht in § 332 HGB teilweise neu gefasst, die Auswirkungen auf die zivilrechtliche Haftung haben kann. Gemäß § 332 Abs. 3 HGB ist nunmehr bereits die leichtfertige Erteilung eines inhaltlich unrichtigen Bestätigungsvermerks zu dem Jahresabschluss, zu dem Einzelabschluss nach § 325 Absatz 2a HGB oder zu dem Konzernabschluss einer Kapitalgesellschaft, die ein Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz 2 HGB ist, strafbar. Haftungsrechtlich wird der Begriff der Leichtfertigkeit mit der groben Fahrlässigkeit gleich zu setzen sein, womit bereits eine entsprechend grob fahrlässige Pflichtverletzung strafbewehrt ist.

Der BGH hatte noch im Urteil vom 12.03.2020 (VII ZR 236/19) die alte Regelung in § 332 HGB im Hinblick auf den Anleger als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB angesehen.

Ob dies auch für die Neuregelung in § 332 Abs. 3 HGB gilt, ist – natürlich – von der Rechtsprechung noch nicht entschieden, man darf das Risiko aber nicht gering schätzen.

Auch wenn man heute noch nicht absehen kann, welche Auswirkungen die neuen Haftungsregelungen im Einzelfall tatsächlich haben werden, muss man sich doch des erhöhten Risikos bewusst sein. Es ist daher wichtig, sich zeitnah an seinen Versicherer zu wenden.