Fachzeitschriften

15. Februar 2007 | Fachzeitschriften

Die nicht entdeckte Unterschlagung

Bei der Durchführung von Abschlussprüfungen kommt es immer wieder vor, dass Mitarbeiter des Unternehmens, manchmal auch Geschäftsführer oder Vorstände, das System des Rechnungswesens ausnutzen und über einen längeren Zeitraum erhebliche Beträge dem Unternehmen entziehen. Dabei nutzen die Täter häufig das Prüfungsverhalten des Abschlussprüfers aus.

In dem vom LG München I mit Urteil vom 14.2.2006 – 3 O 18318/04 rechtskräftig entschiedenen Fall hatten zwei Buchhalterinnen regelmäßig über zehn Jahre hinweg Kassenbucheintragungen manipuliert und hierbei ca. eine Million Euro unterschlagen. Zum Beispiel wurden gefälschte Belege erstellt, um Auszahlungen vorzutäuschen. Die Klägerin behauptet im Haftpflichtprozess, der beklagte Berufsangehörige hätte bei sorgfältiger Prüfung auf Unstimmigkeiten stoßen müssen. Ihm hätten zwingend Defizite in der Organisation der Kassen- und Buchführung und somit die dort vorgenommenen Unterschlagungen und Verschleierungsbuchungen auffallen müssen. Der Berufsangehörige verteidigt sich mit dem Argument, Formalprüfungen wie regelmäßige Kassenprüfungen seien einvernehmlich aus dem Prüfungsvertrag herausgenommen worden. Hierfür zuständig sei der Steuerberater gewesen, der auch die Bilanz erstellt habe.

Das LG geht zunächst davon aus, dass ein Teil der Ansprüche gemäß – dem inzwischen aufgehobenen – § 51a WPO verjährt sei. Die Grundsätze der Sekundärhaftung, die für Rechtsanwälte und Steuerberater entwickelt worden seien, gelten wegen der langen fünfjährigen Verjährungsfrist nicht. Die berufliche Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers bestehe in erster Linie darin, betriebswirtschaftliche Prüfungen durchzuführen. Die Verjährungsfrist sei auf fünf Jahre bemessen. Im Übrigen hält das Gericht die Klage für unsubstantiiert.

Im vorliegenden Fall hätte ein prozessordnungsgemäßer Sachvortrag der Klägerin erfordert, dass sie für jeden einzelnen von ihr beanstandeten Jahresabschluss substantiiert und nachvollziehbar vortrage und unter Beweis stelle, bei welchem ganz konkreten Jahresabschluss welche Position sachlich unrichtig sei, dass diese belegbar durch eine Unterschlagungshandlung eines ihrer Mitarbeiter in welcher Höhe und auf welche Weise bedingt gewesen sei und dass die Beklagte im Rahmen der mit ihr vereinbarten Prüfungstätigkeit auch im Rahmen einer Jahresabschlussprüfung diese behauptete sachliche Unrichtigkeit und die dahinter stehende Unterschlagungshandlung hätte erkennen müssen, so dass sie sodann die Geschäftsleitung hätte informieren können, die sodann weitere künftige Unterschlagungshandlungen hätte verhindern können. Lediglich konkret vorgetragene und belegte Unterschlagungshandlungen, die der Beklagten im Rahmen der ihr nach Auffassung der Klägerin obliegenden stichprobenartigen Überprüfung hätten auffallen müssen, könnten Berücksichtigung finden, sofern vorgetragen und unter Beweis gestellt werde, dass im Fall eines Hinweises durch die Beklagte weitere Schäden hätten verhindert werden können.

Das Gericht vertritt die Auffassung, dass die Vorlage von zwei Parteigutachten, in denen die Unterschlagungen aufgelistet worden seien, nicht ausreichend seien. Des Weiteren argumentiert das Gericht:

Die Tatsache, dass die Beklagte die Kassenbücher der Jahre 1999 und 2000 nicht geprüft habe, begründe keinen Schadensersatzanspruch. Die Beklagte habe das Fehlen der Kassenbücher schriftlich gerügt. Weshalb die Beklagte aufgrund der Tatsache, dass es Probleme bei der EDV gegeben habe, Verdacht hätte hegen müssen, dass es bei der Kassenbuchführung in der Vergangenheit möglicherweise zu Manipulationen zur Verdeckung von Unterschlagungen gekommen sei, sei nicht ersichtlich. Auch dass Buchungen ohne Beleg vorgenommen worden seien, sei kein substantiierter Vortrag.

Nach Auffassung des Gerichts scheiterte die Klage aber schon daran, dass die Klägerin trotz der Hinweise des Gerichts in der mündlichen Verhandlung nicht hinreichend vorgetragen und unter Beweis gestellt habe, dass ihr aufgrund der behaupteten Pflichtverletzungen der Beklagten ein Schaden in der geltend gemachten Höhe entstanden sei.

Die Klägerin hatte Berufung zum OLG München eingelegt. Diese wurde durch Beschluss vom 21.11.2006 – 8 U 2543/04 verworfen. Unter anderem kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass das Überprüfen der Buchhaltung auf Unterschlagungen nicht zu den zentralen Pflichten des Abschlussprüfers gehöre. Das Risiko ungetreuer Mitarbeiter sei klassisches und zentrales Risiko jedes Kaufmanns. Die Klägerin habe über Jahre hinweg das kriminelle Tun von sogar zwei Mitarbeitern nicht bemerkt, obwohl die Klägerin öfter und anders als bei einer vorhersehbaren Bilanzüberprüfung auch verdeckt und überraschend hätte prüfen können und prüfen müssen. Das überwiegende Mitverschulden ordnet der Senat der Klägerin zu.

Es kann nicht zwingend damit gerechnet werden, dass Gerichte in vergleichbaren Fällen ähnlich strenge Anforderungen an den Sachvortrag der Klagepartei stellen, wie es das LG München I getan hat.

Mitgeteilt von der Versicherungsstelle Wiesbaden, Versicherergemeinschaft für das wirtschaftliche Prüfungs- und Treuhandwesen

 

Quelle:
WPK Magazin 1/2007