Fachzeitschriften

1. Januar 2005 | Fachzeitschriften

Die Grenzen der Dritthaftung

Die sogenannte Dritthaftung erhöht das Risiko des Berufsangehörigen, insbesondere des Abschlussprüfers in erheblichem Umfang. Die Verhältnisse des Mandanten mögen vielleicht noch überschaubar sein. Wenn Dritte, die keine Mandanten sind, Ansprüche erheben, kann dies zu einer nicht gewünschten Ausuferung der Haftung führen. Häufig sind Kreditinstitute Anspruchsteller, die behaupten, durch den Prüfungsbericht und das Testat zur Hingabe oder Verlängerung eines Darlehens veranlasst worden zu sein. Aber auch andere Gläubiger nehmen zunehmend den Wirtschaftsprüfer in Regress. Ein anschauliches Beispiel liefert das Urteil des OLG Frankfurt vom 22.09.2004 – 17 U 47/04 sowie das in der Vorinstanz ergangene Urteil des LG Frankfurt vom 2.02.2004 – 2-26 O 199/02. Vereinfacht dargestellt liegt folgender Sachverhalt zugrunde.

Der beklagte Wirtschaftsprüfer war mit der Durchführung der Abschlussprüfung der I Bau GmbH beauftragt worden. Er hatte im März 1999 für den Jahresabschluss 31.12.1998 den unbeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt. Drei Monate später beauftragte die Firma I Bau eine Firma W mit der Durchführung von Metallbauarbeiten. Die Arbeiten wurden durchgeführt und abgerechnet. Die Firma I Bau fiel Anfang 2000 in Insolvenz. Die Firma W fiel mit einem Teil der Forderung aus, behauptete einen Schadensersatzanspruch gegen den Wirtschaftsprüfer zu haben und trat diesen an die Klägerin ab.

Das LG stellt zunächst fest, dass unmittelbare Beziehungen zwischen der Firma W und dem beklagten Wirtschaftsprüfer zu keinem Zeitpunkt bestanden haben. Auch ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter sei nicht zugrunde zu legen. Es fehle am Merkmal der Leistungsnähe. Die Größe des möglichen Engagements eines Dritten hält das LG Frankfurt nicht für einen geeigneten Anknüpfungspunkt.

Das OLG Frankfurt kommt zu einem ähnlichen Ergebnis und argumentiert wie folgt:

„Vorab bleibt festzuhalten, dass nach herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung Einigkeit darüber besteht, dass der vertragliche Drittschutz nicht jedem gewährt werden kann, der irgendwie durch die mangelhafte Erfüllung eines Vertrages beeinträchtigt wird, sondern der vertragliche Drittschutz nach der Rechtsfigur des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist. Der Dritte muss zunächst den Gefahren einer Leistungsstörung etwa so intensiv ausgesetzt sein wie der Gläubigerin. Der Dritte muss sich also in Leistungsnähe, d.h. eben „im Gefahrbereich“ des Vertrages befinden, der Gläubiger muss darüber hinaus ein besonderes Interesse am Schutz des Dritten haben (vg. Ebke in MüKo zum HGB, 2001, § 323, Rn. 11). Darüber hinaus wird nach der herrschenden Lehre und der überwiegenden Rechtsprechung gefordert, dass diese beiden Erfordernisse dem Schuldner bei Abschluss des Vertrages erkennbar gewesen
sein müssen, weil dem Schuldner ansonsten das ihm aufgebürdete höhere Pflichtrisiko nicht zugemutet werden könne…

Danach kommt aber nach wie vor eine Einbeziehung der Gläubiger einer Kapitalgesellschaft in den mit dem Abschlussprüfer geschlossenen Prüfungsvertrag nicht in Betracht, weil die Gesellschaft typischerweise kein Interesse an einer Einbeziehung ihrer Gläubiger hat, und die Erstreckung der Schutzwirkung auf eine unbestimmte Vielzahl von Gläubigern den mit § 323 HGB verfolgten Zweck, das Haftungsrisiko des Abschlussprüfers angemessen zu begrenzen, zuwider läuft. Demgegenüber kann das Auftragsvolumen kein geeignetes Abgrenzungskriterium sein. Nach wie vor kann von der Übernahme eines weitergehenden Haftungsrisikos durch den Abschlussprüfer nur ausgegangen werden, wenn er bei Auftragserteilung davon ausgehen muss, dass die Prüfung auch im Interesse eines bestimmten Dritten durchgeführt werde und das Ergebnis diesem Dritten als Entscheidungsgrundlage dienen solle.“

Das OLG setzt sich noch mit der Tatsache auseinander, dass zwischenzeitlich eine Verschärfung der Publizitätsvorschriften Gesetz geworden ist, vertritt jedoch die Auffassung, dass deshalb die Beurteilung eines Schadensersatzanspruchs nicht beeinflusst werden könne.

Wer den Prüfungsbericht nicht gelesen hat, kann eigentlich keine Ansprüche geltend machen. In § 311 Abs. 3 BGB ist jetzt die sogenannte Dritthaftung gesetzlich geregelt worden. Wie sich diese Regelung auf die Dritthaftung der Wirtschaftsprüfer in Zukunft auswirkt, kann nicht übersehen werden.

Mitgeteilt von der Versicherungsstelle Wiesbaden, Versicherergemeinschaft für das wirtschaftliche Prüfungs- und Treuhandwesen