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Der fragwürdige Vorsteuerabzug
Voraussetzung für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG ist, dass eine Rechnung im Sinne von §§ 14, 14 a UStG vorliegt und die Lieferung oder Leistung ausgeführt wurde. Die Anforderungen an Form und Inhalt der Rechnung sind insbesondere nach Art. 22 Abs. 3 der 6. EG-Richtlinie strenger geworden. Wird der Vorsteuerabzug aufgrund fehlerhafter Rechnungen versagt, ist mancher Steuerpflichtige geneigt, die Verantwortung dem steuerlichen Berater zuzuweisen. Eine solche Konstellation lag auch dem vom LG Darmstadt, Urteil vom 18.6.2008 – 4 O 313/07, entschiedenen Fall zugrunde:
Das zuständige Finanzamt erkannte im Rahmen eines gegen den Geschäftsführer der klagenden GmbH eingeleiteten Steuerstrafverfahrens eine Vielzahl der Rechnungen der Subunternehmer sowohl für den Vorsteuerabzug als auch für den Betriebsausgabenabzug nicht an. Die angegriffenen Rechnungen ließen teilweise die Identifizierung des Ausstellers beziehungsweise der Art der erbrachten Leistung nicht zu. Zum Teil fehlten auch Angaben zum Ort und Zeitraum der Leistung. Letztlich einigte sich die GmbH mit der Finanzverwaltung auf eine Kürzung der Vorsteuerbeträge in sechsstelliger Höhe, die mit Zinsen von der GmbH an die Finanzverwaltung zurückgezahlt werden mussten. Diese Beträge beansprucht die GmbH mit der Klage von der Steuerberaterin.
Die beklagte Steuerberaterin hat die Rechnungen gebucht. Zwar hatte sie zu beanstandende Belege moniert, kam aber hierzu im Prozess in Beweisschwierigkeiten. Als Einwendungen verblieben das Bestreiten der tatsächlichen Leistungserbringung und ein Mitverschuldenseinwand wegen unterbliebener Rechnungskorrekturen.
In der mündlichen Verhandlung unterbreitete das Gericht einen Vergleichsvorschlag, wonach knapp ein Drittel der Klageforderung hätte gezahlt werden sollen. In Anbetracht des Umstands, dass das Steuerstrafverfahren noch nicht beendet war und der Verdacht von Scheinrechnungen weiter bestand, kam ein Vergleich nicht in Frage. Das LG Darmstadt hat die Klage abgewiesen. Dabei hat es offen gelassen, ob eine Pflichtverletzung vorlag. Die klagende GmbH habe nicht tauglich unter Beweis gestellt, dass die Leistungen tatsächlich erbracht und voll bezahlt worden seien. Den Prozess konnte der fragwürdige Vorsteuerabzug die Steuerberaterin also nur wegen der Beweisfälligkeit der Gegenseite gewinnen. Im Grundsatz muss eine Partei diejenigen Tatsachen beweisen, aus denen sie ein Recht herleitet. Das tatsächliche Erbringen der in Rechnung gestellten Leistungen war eine Voraussetzung für den Vorsteuerabzug und damit eine solche anspruchsbegründende Tatsache, für die die klagende GmbH beweispflichtig war.
Dieser Fall ist in mehrfacher Hinsicht instruktiv. Er zeigt, dass manches Anzeichen eines Mandates Anlass zu Skepsis geben mag, dass der Dokumentation der Beratung ausreichend Beachtung geschenkt werden sollte und dass auch nach einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme die steuerrechtlichen Rettungsmöglichkeiten, hier der Rechnungskorrekturen, nicht außer Acht gelassen werden dürfen.
Es wird nicht selten vorkommen, dass die dem Steuerberater vom Mandanten eingereichten Aufzeichnungen und Belege ungeordnet und unvollständig sind. Bei formellen Mängeln der Buchführung hat der Steuerberater den Mandanten aufzufordern, diese abzustellen. Nach dem Belegprinzip ist zu prüfen, ob jeder Buchungsvorgang durch einen entsprechenden Beleg gedeckt ist. Der Mandant wird von seinem Steuerberater zudem erwarten, dass dieser für den Vorsteuerabzug die Vollständigkeit der Eingangsrechnungen prüft und ihm gegebenenfalls Hinweise erteilt. Es empfiehlt sich, solche Hinweise zu dokumentieren und nötigenfalls auch vom Mandanten gegenzeichnen zu lassen. Mitunter sind es gerade die Mandanten, die ein unkompliziertes Mitarbeiten des Steuerberaters einfordern, die aber später nicht zögern, eine unerwartete Steuerbelastung als Schadenersatz gegen den Berater geltend zu machen. Zu beachten ist ferner, dass der bloße Hinweis auf einen Fehler in der Buchhaltung möglicherweise nicht ausreichend ist. Nach einem Urteil des OLG Celle vom 21.5.2008 – 3 U 26/08 (DB 2008, 1673 ff.) kann der Steuerberater auch haften, wenn er die Umsetzung seines Hinweises durch den Mandanten nicht überwacht. Zwar gibt es demnach keine allgemeine Pflicht des Steuerberaters zu überprüfen, ob sein Hinweis befolgt wird. Hat er aber in der Folge einen konkreten Anlass, die früher beanstandeten Vorgänge aufzugreifen, kann eine Haftung in Betracht kommen.
Mitgeteilt von der Versicherungsstelle Wiesbaden, Versicherergemeinschaft für das wirtschaftliche Prüfungs- und Treuhandwesen.
Quelle
WPK Magazin 4/2008