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BGH verschärft Haftungsrisiko bei Jahresabschlusserstellung deutlich
Bereits in den vergangenen Jahren war die Haftung des Steuerberaters für Insolvenzverschleppungsschäden Gegenstand der Rechtsprechung des BGH. So hatte der BGH mit Entscheidung vom 7.3.2013 (AZ: IX ZR 64/12) entschieden, dass den Steuerberater ohne gesonderten Auftrag keine allgemeine Pflicht trifft, bei Unterdeckung den Geschäftsführer darauf hinzuweisen, eine Überprüfung in Auftrag zu geben oder selbst vorzunehmen, ob Insolvenzreife besteht. Nunmehr hat der BGH in seiner jüngsten Entscheidung vom 26.1.2017 (AZ: IX ZR 285/14, Juris) seine Rechtsprechung teilweise wieder aufgehoben und deutlich verschärft. Das Risiko des Steuerberaters für Insolvenzschäden aufgrund des von ihm erstellten Jahresabschlusses in Anspruch genommen zu werden, ist dadurch deutlich gestiegen.
Bislang war anerkannt, dass ein vom Steuerberater erstellter Jahresabschluss mangelbehaftet war, wenn dieser rechnerisch fehlerhaft war und aus diesem Grund eine Überschuldung nicht erkennen ließ. Hingegen konnte der Steuerberater bei der Jahresabschlusserstellung grundsätzlich von Fortführungswerten ausgehen. Auch bestand keine Hinweispflicht auf eine mögliche Insolvenzantragspflicht, wenn eine Unterbilanz ausgewiesen war. Diese ist dem Geschäftsführer ja ohne Weiteres selbst ersichtlich.
Berücksichtigung Mandat und Informationen
In seiner jüngsten Entscheidung stellt der BGH fest, dass ein Jahresabschluss auch dann fehlerbehaftet sein kann, wenn der Steuerberater trotz bestehender Insolvenzreife von Fortführungswerten ausgeht, oder die Geschäftsführung nicht ausreichend auf einen möglichen Insolvenzgrund hinweist.
3 Der BGH setzt sich dabei intensiv mit § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB auseinander. Zwar kann der Steuerberater grundsätzlich von der Fortführung des Unternehmens ausgehen, jedoch hat er den Jahresabschluss nach Maßgabe des Inhalts des Mandats und anhand der von den Mandanten übergebenen Informationen zu erstellen. Ergibt sich aus den Angaben des Unternehmers und den dem Steuerberater bekannten Umständen, dass der handelsrechtlich zulässige Rahmen überschritten ist, ist der Jahresabschluss stets mangelhaft.
Keine Fortführungswerte bei absehbarer Einstellung Unternehmenstätigkeit
Eine Bilanzierung nach Fortführungswerten ist jedenfalls dann unzulässig, wenn nach der aufzustellenden Prognose – regelmäßig bezogen auf das dem Abschlussstichtag des Jahresabschlusses folgende Geschäftsjahr – feststeht, dass die Unternehmenstätigkeit bis zum Ablauf des Prognosezeitraums eingestellt sein wird. Sofern nur Zweifel an der Überlebensfähigkeit des Unternehmens bestehen, darf noch zu Fortführungswerten bilanziert werden. Dies gilt allerdings nicht mehr, wenn die Einstellung unvermeidbar oder beabsichtigt erscheint.
Insolvenzgrund steht fortführend grundsätzlich entgegen
Liegt ein Insolvenzgrund vor, steht dieser regelmäßig, wenn auch nicht zwingend der Fortführung entgegen. Trotz eines Insolvenzgrundes kann eine Bilanzierung nach Fortführungswerten zulässig sein, wenn ein glaubhafter Fortführungsinsolvenzplan vorliegt, eine übertragende Sanierung innerhalb des Prognosezeitraums angestrebt wird und möglich ist oder anzunehmen ist, dass die Unternehmenstätigkeit auch nach einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens innerhalb des Prognosezeitraums fortgeführt werden wird.
Konkrete Begründung des Einzelfalls
Liegt eine derartige Situation vor, bedarf es einer konkreten Begründung des Einzelfalls. Hat das Unternehmen in der Vergangenheit keine Gewinne erwirtschaftet, kann es nicht leicht auf finanzielle Mittel zurückgreifen oder droht Überschuldung, besteht regelmäßig keine ausreichende Wahrscheinlichkeit, dass sich das Unternehmen außerhalb eines Insolvenzverfahrens fortführen lässt. Dann erfordert das Insolvenzrecht die Erstellung einer insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose, deren Ergebnis in die bilanzielle Fortführungsprognose einzubeziehen ist.
Ist also bereits bei dem Ansatz von Fortführungswerten eine bilanzielle Überschuldung festzustellen, stellt der BGH sehr strenge Anforderungen an die Aufrechterhaltung der Fortführungsprognose.
Unzutreffender Bilanzansatz ist regelmässig vorwerfbar
Subjektiv hat der Steuerberater den fehlerhaften Jahresabschluss zu vertreten, wenn auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen die Vermutung des § 252 Abs. 1 HGB widerlegt erscheint oder ernsthafte Zweifel bestehen, die nicht ausgeräumt werden. Lediglich, wenn die vorliegenden Informationen dem Steuerberater nicht einmal Anhaltspunkte für Zweifel liefern, ist der unberechtigte Ansatz von Fortführungswerten ohne Weiteres nicht vorwerfbar. Ist die Fortbestehensprognose fraglich, muss der Steuerberater entweder selbst klären, ob die Umstände tatsächlich vorliegen oder Sorge dafür tragen, dass die Gesellschaft eine Fortbestehensprognose erstellt. Auf letztere kann sich der Steuerberater verlassen, sofern diese stichhaltig und von Substanz, also nicht evident untauglich ist.
Weisung des Mandaten keine Entlastung>
Eine Weisung des Auftraggebers, eine Bilanz mit Fortführungswerten zu erstellen, kann den Steuerberater nach der neuen Rechtsprechung des BGH nur entlasten, wenn dieser der Gesellschaft die konkreten Umstände, deretwegen keine ausreichende Grundlage für den Ansatz von Fortführungswerte vorliegt, umfassend darlegt. Der Steuerberater trägt diesbezüglich die Beweislast. Zudem muss in dem vom Steuerberater gefertigten Entwurf des Jahresabschlusses die Mandantenweisung ausdrücklich dokumentiert werden.
Umfassende Hinsweispflicht gegenüber Geschäftsführer
Schließlich stellt der BGH noch fest, dass den Berater auch bei richtiger Bilanzierung eine Hinweis- und Warnpflicht trifft, wenn er einen möglichen Insolvenzgrund erkennt oder Anhaltspunkte für einen Insolvenzgrund offenkundig sind und er Grund zur Annahme hat, dass die mögliche Insolvenzreife der Mandantin nicht bewusst ist. Im Streitfall reichten dem BGH die Hinweise des Beraters an die Mandantin nicht aus, da diese lediglich abstrakt die eigene Pflicht des Geschäftsführers zur Überprüfung der Zahlungsfähigkeit und Überschuldung wiedergaben. Der BGH fordert an dieser Stelle, dass der Steuerberater die konkreten Umstände für einen möglichen Insolvenzgrund im Einzelnen bezeichnet und darauf hinweist, dass diese Anlass zur Prüfung einer möglichen Insolvenzreife geben.
Fazit
Insgesamt ist nach der deutlichen Haftungsverschärfung durch den BGH zu erwarten, dass die Insolvenzverwalter noch genauer als in der Vergangenheit prüfen werden, ob die Steuerberater bei Erstellung der Jahresabschlüsse ihren verschärften Prüf- und Hinweispflichten ausreichend nachgekommen sind.
Der BGH legt in seinem Urteil eigene konkrete Handlungsanweisungen für den Steuerberater fest. Zur Vermeidung einer – wenn auch unberechtigten – Inanspruchnahme, sollten Steuerberater anhand der ihnen vorliegenden Unterlagen prüfen, ob Umstände einer Fortführung des Unternehmens entgegenstehen. Gegebenenfalls wird eine Fortführungsprognose von der Geschäftsführung einzufordern sein, die bei Plausibilität zugrunde gelegt werden kann. Zu beachten ist, dass ein abstrakter Verweis auf die Prüfungspflichten des Geschäftsführers unzureichend ist.
Eine sorgfältige schriftliche Dokumentation der Mandatsbearbeitung und der erteilten Hinweise ist unumgänglich, um bei einer Inanspruchnahme der Darlegungs- und Beweislast des Steuerberaters genügen zu können.