Kundenmagazin
75 Jahre Versicherungsstelle für das wirtschaftliche Prüfungs- und Treuhandwesen (Teil 2: 1961–2013)
Zum 75jährigen Jubiläum im Jahr 2013 blickt die Versicherungsstelle Wiesbaden auf ihre Geschichte zurück. In der letzten Ausgabe unserer Kundeninformation (Versicherungsstelle aktuell, 1/2013, Seite 3) schilderten wir die Entwicklung von der Vorgeschichte über die Gründung der Versicherungsstelle bis zu den frühen Jahren des westdeutschen Wirtschaftswunders.
Dieser zweite und letzte Teil des Beitrags berichtet nun von den vielfältigen Veränderungen, denen die Berufshaftpflichtversicherung und mit ihr die Versicherungsstelle seit den 1960er Jahren unterworfen waren.
DIE VERSICHERUNGSSTELLE ZWISCHEN WIRTSCHAFTSWUNDER UND NEUEN BERUFSGESETZEN
Die Ende 1961 in Kraft getretenen Berufsgesetze für prüfende und steuerberatende Berufe bestätigten die Versicherungspflicht für Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer und führten sie für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte erstmals ein.
1968 schuf die Verordnung über die Berufshaftpflichtversicherung für Wirtschaftsprüfer eine klare Basis für die Pflichtversicherung und brachte als folgenreiche Neuerung die Ablösung des Anspruchserhebungsprinzips (claims-made-Prinzip) durch das Verstoßprinzip. Mit dem international üblichen claims-made-Prinzip war nur versichert, was der Berufsträger während der Vertragslaufzeit an beruflichem Fehlverhalten bei seiner Versicherung anzeigte.
Beim Verstoßprinzip hingegen ist versichert, was der Berufsangehörige während der Laufzeit des Versicherungsvertrages an beruflichem Fehlverhalten verursachte. Die Leistungspflicht des Versicherers besteht daher auch nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses oder nach dem Tod des Versicherten fort. Das Spätschadenrisiko trägt der Versicherer, mit dem zum Zeitpunkt des Berufsversehens ein Versicherungsvertrag besteht. Damit entspricht das Verstoßprinzip besser der wirtschaftlichen Existenzsicherung der Berufsangehörigen und auch den Schutzinteressen der Mandanten. Für die Versicherergemeinschaft hatte der Wechsel zum Verstoßprinzip gravierende Folgen: Es erforderte die Bildung einer Spätschadenreserve.
DIE VERSICHERUNGSSTELLE IN ZEITEN SICH VERÄNDERNDER MÄRKTE
In den 1980er Jahren stellten die an der Gemeinschaft beteiligten Versicherer und die Bundeskammern, die Ende der 1960er Jahre statt der Berufsverbände als Vertreter der Berufsangehörigen in das Abkommen mit den Versicherern eingetreten waren, ihre Zusammenarbeit auf eine neue Basis. Auch nach dieser Vereinbarung wurde der regelmäßige Informationsaustausch der Versicherungsstelle mit Vertretern der Versicherer und der Berufsangehörigen im Versicherungsausschuss fortgeführt und wird dies bis heute.
Ein immer wieder diskutiertes Thema in den 1980er und 1990er Jahren war die Einbringung von Versicherungsverträgen der vereidigten Buchprüfer aus den Beständen der Versicherer in die Versicherergemeinschaft. Als infolge des Bilanzrichtliniengesetzes der Beruf der vereidigten Buchprüfer 1986 erneut eröffnet und insbesondere aus dem Kreis der Steuerberater Berufsangehörige zu Buchprüfern bestellt wurden, sprachen sich die Vertreter der Wirtschaftsprüferkammer für eine Einbringung dieser Versicherten in die Versicherergemeinschaft aus. Nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990, als Kammern und Verbände der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater den Aufbau prüfender und steuerberatender Berufe in den fünf neuen Bundesländern unterstützten, kam das Thema erneut auf die Tagesordnung. Die betroffenen Versicherungsgesellschaften brachten in der Folge zum Jahrtausendbeginn ihre Versicherungsverträge für vereidigte Buchprüfer in die Versicherergemeinschaft ein.
DIE VERSICHERUNGSSTELLE IM NEUEN JAHRTAUSEND
Das neue Jahrtausend brachte für die Versicherungsstelle viele Veränderungen. Die Versicherer beschlossen eine Tarifsanierung auf der Grundlage der Berechnung unabhängiger Aktuare, um im Interesse der Versicherten und ihrer Mandanten auch für die Zukunft soliden Schutz vor finanziellen Schäden zu gewährleisten. Der Tarifsanierung folgten ein neues Nachlasssystem und weitere strukturelle Veränderungen. Zudem trat ein Positionswechsel bei der „Führenden“ ein. Im Jahr 2003 übernahm die Allianz die Führung der Versicherergemeinschaft.
Die Versicherungsstelle etablierte sich nach der Jahrtausendwende auch als Versicherer im Ausland. Ausländische Versicherungsnehmer sind regelmäßig Netzwerkpartner deutscher Prüfungsgesellschaften, die seit vielen Jahren bei der Versicherungsstelle versichert sind. Die Versicherung ausländischer Kunden erfordert länderspezifisches Know-how unter Einbeziehung der jeweiligen nationalen Rechtslage. Die Versicherungsstelle hat dazu mehrere Kompetenzteams für den komplexen Bereich der Berufshaftung und deren Versicherung in den jeweiligen Ländern gebildet.
Die Versicherergemeinschaft wird heute von vier bedeutenden Versicherungen getragen. Dies sind die Allianz Versicherungs- AG, AXA Versicherung AG, ERGO Versicherung AG und R+V Allgemeine Versicherung AG.
Gegründet durch Erlass vom 15.7.1938 als „Versicherungs-stelle für Wirtschaftstreuhänder“ besteht die Versicherungsstelle seit nunmehr 75 Jahren. Aus unserer Geschichte erklärt sich die Spezialisierung, Struktur und partnerschaftliche Kooperation der Versicherungsstelle mit dem Berufsstand. Diese Merkmale ermöglichen der Versicherungsstelle zusammen mit der Finanzkraft der beteiligten Versicherer auch in Zukunft individuelle Versicherungslösungen, kompetente Beratung und entsprechend qualifizierte Schadenssachbearbeitung.